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Die Geschichte einer kurzen Ehe

Autor
Arudpragasam, Anuk

Die Geschichte einer kurzen Ehe

Untertitel
Roman. Übersetzt von Hannes Meyer
Beschreibung

Dieses Buch hält man in Händen wie einen Schatz, wie ein Kleinod, denn es lehrt, genau hinzuschauen, genau hinzuhören und genau zu beobachten – und obwohl unser Leben so weit von dem des Helden der Geschichte, dem jungen Dinesh,entfernt ist, lehrt es uns, mit ihm das Glück, das nur ein kleines Stück Seife bedeuten kann, intensiv mitzuerleben. Arudparagsams Beschreibungskunst ist beeindruckend und erinnert in manchen Passagen an die großen Realisten des 19. Jahrhunderts und ist doch ganz im Heute verankert, denn Die Geschichte einer kurzen Ehe handelt von Dinesh, einem der weltweit Abermillionen Flüchtlinge, und dem Beginn seiner Liebe.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Hanser Berlin, 2017
Seiten
224
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-446-25677-4
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Anuk Arudpragasam, 1988 geboren, wuchs in Colombo, Sri Lanka, auf, wo er auch heute lebt. Er schreibt auf Tamil und Englisch und ist dabei, ein Doktorandenstudium in Philosophie an der Columbia University abzuschließen. Die Geschichte einer kurzen Ehe ist sein erster Roman.

Zum Buch:

Dieses Buch hält man in Händen wie einen Schatz, wie ein Kleinod, denn es lehrt, genau hinzuschauen, genau hinzuhören und genau zu beobachten – und obwohl unser Leben so weit von dem des Helden der Geschichte, dem jungen Dinesh,entfernt ist, lehrt es uns, mit ihm das Glück, das nur ein kleines Stück Seife bedeuten kann, intensiv mitzuerleben. Arudparagsams Beschreibungskunst ist beeindruckend und erinnert in manchen Passagen an die großen Realisten des 19. Jahrhunderts und ist doch ganz im Heute verankert, denn Die Geschichte einer kurzen Ehe handelt von Dinesh, einem der weltweit Abermillionen Flüchtlinge, und dem Beginn seiner Liebe.

Wo genau und wann genau sich das Erzählte ereignet oder um welchen Konflikt es sich genau handelt, deutet der Roman nur an. Dinesh befindet sich auf der Flucht. Und die Flucht ist über ihn hereingebrochen wie ein Unwetter, das zwar vorhergesagt, aber dessen Stärke nicht erwartet wurde. Eigentlich rechnet Dinesh immer noch damit, dass er zurückkehren kann, sein Zuhause ist immer noch das Zentrum, auch wenn er sich seit Wochen wie von selbst immer weiter davon entfernt. Immer mehr Habseligkeiten, die andere Flüchtlinge zurücklassen mussten, säumen den Weg, immer mehr Habseligkeiten seines Lebens muss auch Dinesh hinter sich lassen: zwei Taschen schützen den Leichnam seiner von einer Granate getroffenen Mutter. Rechts und links von ihrem Körper hat er sie wie Mahnmale aufgebaut.

Arudpragasam beginnt den Roman mit einer Szene im Krankenhaus eines Lagers, in das Dinesh mittlerweile gelangt ist. Er hilft einem Arzt, den Arm eines Jungen zu amputieren. Es gibt keine Narkosemittel, es gibt keine ernstzunehmenden chirurgischen Werkzeuge, dem Jungen fehlt bereits ein Bein. Die Wucht dieser Szene, ihre überwältigende und verstörende Bildmächtigkeit führt mitten in die Kunst des Erzählers Arudpragasam und erinnert zugleich an Szenen aus Flauberts eben neu übersetzten Erzählung von der Legende vom heiligen Julian dem Gastfreien. Auch hier wird die Gewalt, die sich Menschen einander antun, zentral verhandelt, auch hier sind die Bilder verstörend und zugleich von einer außergewöhnlichen Kunstfertigkeit.

Arudpragasams Roman ist deshalb so berührend, weil er uns mitzittern und hoffen lässt, dass Dinesh die scheinbar einfachsten Dinge gelingen mögen, etwa wenn er sich nach Wochen der Flucht zum ersten Mal wäscht, um sich für seine eben geehelichte Frau annehmbar, vielleicht sogar attraktiv zu machen; weil er uns miterleben lässt, dass es im Leben eines Flüchtenden in den Lagern eigentlich gar keine Momente von Intimität und Privatheit mehr gibt; weil er uns den Beginn einer so zarten Liebe in all ihrer Arrangiertheit und Verzweiflung als das Unglaublichste und Beste zu schildern vermag, wozu wir Menschen fähig sind.

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt