Zum Buch:
»Wenn ihr sie töten wollt, warum tut ihr es nicht in ihren Dörfern, warum erst sie so namenlos elend machen?«
»So ist es, sie müssen elend werden.«
Am 24. April 2015 jährt sich zum hundertsten Mal der Völkermord an den Armeniern. Die Regierung der Türkei bezeichnet bis heute die damaligen Geschehnisse als notwendige Sicherheitsmaßnahme, da das Volk der Armenier zu Beginn des Ersten Weltkriegs den Gegner Russland nicht nur unterstützt, sondern auch noch Massaker an Muslimen begangen habe.
Die Armenier selbst nennen das, was vor nunmehr hundert Jahren geschehen ist, „Aghet“ – Die Katastrophe.
Es gibt heute genügend Beweise dafür, dass die sogenannten Jungtürken damals den Plan zur Deportation der Armenier gefasst hatten, um einer angeblichen Fraternisierung mit dem Feind Einhalt zu gebieten. Meistens spricht man davon, dass die Mehrzahl der mehr als anderthalb Millionen Männer, Frauen und Kinder in die syrische Wüste getrieben wurden, um dort vor Hunger und Durst elendiglich zu krepieren, doch das stimmt nicht so ganz, denn eine große Zahl der Männer, Frauen und Kinder wurden wie Vieh abgeschlachtet, und nur diejenigen konnten sich noch „glücklich“ schätzen, die auf regelrechten Sklavenmärkten an kurdische Freischärler verkauft wurden.
Was aber bis heute wenig bekannt oder unbeachtet geblieben ist, das ist die Rolle, die das Deutsche Kaiserreich dabei spielte.
Um das Osmanische Reich als Kriegspartner bei der Stange zu halten, ersannen hochrangige deutsche Regierungsmitglieder und Offiziere Möglichkeiten, die von ihnen so bezeichnete armenische Brut, die schlimmer als die Juden sei, auszumerzen, und wir reden hier von 1915!
Es ist der minutiösen und oftmals mit erheblichen Schwierigkeiten verbundenen Recherchearbeit des Journalisten Jürgen Gottschlich zu verdanken, dass wir das Bild der Außenpolitik des Kaiserreichs bei Eintritt des Ersten Weltkriegs von einer anderen Warte aus betrachten können und müssen. Zugegeben, es handelt sich hierbei keineswegs um eine angenehme Lektüre, ganz im Gegenteil, man könnte, um ein deutsches Sprichwort zu verwenden, das kalte Kotzen kriegen, wenn man sich durch diese knapp vierhundert Seiten liest, aber es ist notwendig, dieses Kapitel der Geschichte, die auch eine deutsche Geschichte ist, als das anzunehmen, was sie ist: Verhängnisvoll. Tragisch. Und gewollt.
Meines Erachtens der wichtigste Beitrag zur Aufarbeitung einer verdrängten Schuld. Und sei es auch „nur“ einer Mitschuld.
Normalerweise sagt man das über einen guten Roman oder einen spannenden Krimi, aber dieses Buch ist ein Muss. Ist Teil der Geschichte. Und es ist Jürgen Gottschlich und dem Ch. Links Verlag zu verdanken, dass wir diesen Teil der Geschichte überhaupt mitbekommen. Hier meinen Dank dafür.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln