Zur Autorin/Zum Autor:
Ken Krimsteins Cartoons erscheinen im ›New Yorker‹, in ›Punch‹, dem ›Wall Street Journal‹ und vielen anderen. Er unterrichtet an der DePaul-Universität in Chicago und ist Kreativdirektor einer Werbeagentur.
Das bewegte Leben einer der zweifellos außergewöhnlichsten Frauen des 20. Jahrhunderts, inszeniert in drei Abschnitten und dann auch noch aus der Feder eines der renommiertesten Cartoonisten der Zeitungsbranche.
(ausführliche Besprechung unten)
Sie war emanzipierte Denkerin, getriebener Flüchtling, mehrfach abgewiesene Geliebte, ungeliebte Deutsche, emsige Publizistin und teilweise ungläubige Jüdin. Lange Zeit war sie Staatenlose, zeitlebens unbeirrbare Kettenraucherin, späte US-Amerikanerin, mehrfache Ehefrau und nicht von allen gefeierte Philosophin und Dozentin. Sie war mit Sicherheit ein streitbarer Geist, von Zivilcourage geprägt, und ohne den geringsten Zweifel eine der interessantesten Frauenfiguren des zwanzigsten Jahrhunderts.
Das Leben und Schreiben der 1906 in Hannover als Johanna geborenen Hannah Arendt, die es bis zu ihrem Tod in New York im Jahr 1975 rigoros ablehnte, Philosophin genannt zu werden, beschäftigt nach wie vor eine immens große Leserschaft, die sich mit ihrem Werk und gleichsam ihrem Denken auseinanderzusetzen sucht.
Nun hat sich der US-amerikanische Autor und Cartoonist Ken Krimsteim mittels einer Graphic Novel dem Werdegang der Grande Dame angenommen, den er bewusst nicht als Biografie, sondern vielmehr als Interpretation ihres vielschichtigen Lebens verstanden wissen will die aber auf der Biografie von Elisabeth Young-Bruehl aufbaut. Dabei unterteilt Krimstein Arendts Leben in drei Abschnitte:
Aufgewachsen in einem aufgeschlossenen sozialdemokratischen Elternhaus, beginnt sie früh, sich für die Philosophie zu interessieren, besucht Vorlesungen, lernt Gleichgesinnte kennen, heiratet früh und wird die heimliche Geliebte Heideggers.
1933 muss sie vor den Nazis flüchten und erreicht über Umwege Paris. In ihrem zweiten Lebensabschnitt ist sie für längere Zeit Staatenlose, unterstützt zionistische Jugendorganisationen, hilft anderen Staatenlosen bei ihrer Flucht nach Palästina, hält vielbesuchte Vorträge, lässt sich scheiden, heiratet erneut und lernt Walter Benjamin kennen.
1941 beginnt der dritte und letzte Abschnitt in New York, wohin sie und ihr neuer Mann ins Exil geflüchtet sind. Benjamin hat sich umgebracht. Sie arbeitet als Kolumnistin, hält als Dozentin weiterhin Vorträge, veröffentlicht erste Schriften und besucht 1950 zum ersten Mal wieder Deutschland. Sie beginnt, über die dortige Nachkriegssituation zu schreiben und sich bald darauf kritisch gegenüber Heideggers Nähe zum Nationalsozialismus zu äußern. Sie wird US-amerikanische Staatsbürgerin, und wird zur Professorin auf Zeit ernannt, reist erneut nach Deutschland und berichtet als Reporterin der Zeitschrift „New Yorker“ über den Eichmann-Prozess.
Ken Krimsteins Zeichnungen sind eher skizzenhaft, wie von leichter Hand aufs Papier geworfen, und dennoch so einnehmend und streckenweise angenehm humorvoll, dass man, am Schluss der Inszenierung angekommen, meint, es bleibe genügend Spielraum, sich anhand von Sekundärliteratur ein genaueres Bild über diesen ungewöhnlichen Menschen zu verschaffen. Denn man kommt nicht umhin, noch mehr über dieses bewegte Leben erfahren zu wollen, man will sich vertiefen, die Hintergründe begreifen, Mäuschen spielen, wenn man so will. Eine durch und durch gelungene Graphic Novel, welche erneut unter Beweis stellt, dass dieses Genre zu Recht einen festen Stand in der Literaturszene besitzt.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln