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Autor
Kühsel-Hussaini, Mariam

Tschudi

Untertitel
Roman
Beschreibung

Die Museen sind geschlossen, das Flanieren in den Straßen verboten – wie herrlich ist es da, einen Roman zu lesen, der uns von impressionistischen Gemälden und Berliner Großstadtleben erzählt. Mariam Kühsel-Hussaini macht das in ihrem flirrenden Museums- und Großstadt-Roman Tschudi.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rowohlt Verlag, 2020
Format
Gebunden
Seiten
320 Seiten
ISBN/EAN
978-3-498-00137-7
Preis
24,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Mariam Kühsel-Hussaini wurde 1987 in Kabul als Enkelin des Kalligraphen Sayed Da ud Hussaini geboren. Sie wuchs in Deutschland auf – zwischen den Welten, zwischen den Sprachen. 2010 erschien ihr vielbeachtetes Debüt Gott im Reiskorn; es folgten die Romane Abfahrt (2011) und Attentat auf Adam (2012). Mariam Kühsel-Hussaini lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Berlin.

Zum Buch:

Die Museen sind geschlossen, das Flanieren in den Straßen verboten – wie herrlich ist es da, einen Roman zu lesen, der uns von impressionistischen Gemälden und Berliner Großstadtleben erzählt. Mariam Kühsel-Hussaini macht das in ihrem flirrenden Museums- und Großstadt-Roman Tschudi.

Wir befinden uns Ende des 19. Jahrhunderts: Hugo von Tschudi ist erst seit kurzem Direktor der Nationalgalerie in Berlin (heute: Alte Nationalgalerie). Er ist studierter Kunsthistoriker, er ist Schweizer, und er ist von Wilhelm von Bode an die Spree geholt worden. Ein Umstand, den Wilhelm von Bode bald schon bereuen wird, denn wie Tschudi die Sammlung der Nationalgalerie auf den Kopf stellt, das gefällt uns zwar heute als Leser und als Museumsbesucher, aber dem konservativen Publikum mit Kaiser Wilhelm II. an der Spitze ganz und gar nicht.

Hugo von Tschudi ist der Kunst, nicht dem Namen seiner Institution verpflichtet. Die Nationalgalerie ist erst spät im 19. Jahrhundert als Ort zur Förderung und Präsentation deutscher Kunst eröffnet worden, aber Hugo von Tschudi schert sich einfach nicht drum. Er fährt mit seinem engen Freund, dem berühmten Maler Max Liebermann, nach Paris, also nach Frankreich (!) und kauft einige der heute berühmtesten französischen Impressionisten: Edouard Manets Wintergarten, Paul Cézannes Mühle, er kauft Gemälde von Claude Monet und Edgar Degas, er freundet sich mit Auguste Rodin an und kauft auch von ihm Skulpturen für Berlin. Mit Manets Wintergarten erwirbt Tschudi übrigens zugleich das erste Gemälde dieses Künstlers für ein Museum: Wir lesen also sowohl Kunst- als auch Museumsgeschichte.

Von den Impressionisten lernt Tschudi ein neues Sehen, das sich auf seine Alltagswahrnehmung überträgt und schließlich auch das Schreiben von Mariam Kühsel-Hussaini bestimmt. Auch ihre Sprache flirrt, sie summt nur so vor Metaphern, mitunter sehr gewagten und gewöhnungsbedürftigen, am Ende aber ersteht aus all diesen farbigen Klecksen ein wunderbar praller Roman voller lebendiger Bildbeschreibungen, intensiver Betrachtungen und vibrierender Großstadtschilderungen. Tschudi ist mit zahlreichen Menschen der damaligen Kulturszene befreundet, mit dem schon erwähnten Max Liebermann ebenso wie mit Harry Graf Kessler, Gerhart Hauptmann und Julias Maier-Graefe, und sie feiern Feste sie laden sich zum Essen ein, sie gehen in Cafés und in Bars, in das sagenhafte Weinhaus Rheingold in der Bellevuestraße: Ein regelrechtes Restaurant-Kaufhaus, das wie im wildesten Historismus 14 verschiedene Säle mit 4000 Sitzplätze bietet, in dem man seinen Aperitif, Digestif oder sein Dinner einnehmen kann: im Muschelsaal, Pfeilersaal oder Kaisersaal, im Mahagonisaal oder Ebenholzsaal … Uns würde gerade nur ein Restaurant reichen.

Mariam Kühsel-Husssainis Metaphernreichtum mag am Anfang irritieren, am Ende aber fügen sich ihre Bilder wie in einem flirrenden impressionistischen Gemälde zu einem wunderbar getupften Bild über das Berlin und die Kunstszene zur Jahrhundertwende zusammen.

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt