Zum Buch:
Wie es wohl gewesen ist, damals im geteilten Deutschland, das Kinder heute nur noch aus Erzählungen kennen? Wie war es zum Beispiel für einen 10-jährigen Jungen, der einen allerbesten Freund hatte, dessen Mutter einen Ausreiseantrag gestellt hatte, weil sie weg wollten, rüber auf die andere Seite, nach West-Berlin, das so unerreichbar schien wie Australien?
Fred und Jonas sind Freunde, so enge Freunde, dass sie sich eigentlich alles erzählen und immer zusammen sind, wenn es irgendwie geht. Sie haben sogar einen geheimen Treffpunkt, von dem niemand weiß, auch weil die stillgelegte Ziegelei so nah am streng bewachten Grenzgebiet liegt, in dem sich eigentlich niemand aufhalten darf, schon gar nicht die Kinder. Jonas’ Familie hat Verwandte im Westen und ist deshalb unter anderem stolzer Besitzer eines unglaublich tollen Fahrrads und eines prachtvoll bebilderten Lexikons, so eins, wie Fred es sich schon lange wünscht. Immer wenn er bei Jonas zu Besuch ist, blättert er darin und reist in Gedanken in die weite Welt hinaus.
Als sich die beiden mal wieder nachmittags in ihrem Geheimversteck treffen und Jonas so merkwürdig herumdruckst, beginnt Fred zu ahnen, dass sich etwa verändern wird. Und irgendwann platzt es aus Jonas heraus, dass seine Mutter einen Ausreiseantrag gestellt hat, weil sie es in der DDR nicht mehr aushielte, es aber wohl noch eine Ewigkeit dauern würde, bis ans Kofferpacken zu denken sei. Von diesem Tag an wird Jonas in der Schule von allen anderen wie ein Aussätziger behandelt – ein Ausreiseantrag bedeutete ja, sich gegen alles zu stellen, woran die Menschen glauben wollten –, und auch Freds linientreuer Vater verlangt, dass sein Sohn sich von Jonas lossagt. Fred versteht die Welt nicht mehr! Es hatte sich doch nichts verändert, Jonas ist sein bester Freund, und wie kann es sein, dass sie sich vielleicht irgendwann nicht mehr sehen können, nur weil die Erwachsenen so eine hohe Mauer errichtet haben? Von Freunden kann man sich doch gar nicht lossagen, die bleiben für immer!
Gemeinsam beginnen die beiden Jungs Pläne zu schmieden, wie sie sich wiedersehen können, wenn Jonas mit seiner Mutter nach West-Berlin geht. Australien liegt genau auf der anderen Seite der Erdkugel, und Jonas darf im freien Westen ja dann reisen, wohin er will. So müssen sie also nur die genauen Koordinaten ausrechnen – der nette Nachbar Herr Marek hilft ihnen mit Globus und Lineal dabei – und dann einen ganz langen Tunnel graben. Und dann können sie sich am Ende in Australien wiedersehen, ganz sicher. Ab jetzt werden sie buddeln, jeden Tag!
Der Autor Dirk Kummer wuchs selbst in Falkensee auf, dem Ort der Freundschaftsgeschichte von Fred und Jonas. Das hier empfohlene Buch entstand auf Grundlage seines viel prämierten Films Zuckersand (2017) und gibt Kindern einen eindrucksvollen und gut nachvollziehbaren Einblick in zwei unterschiedliche Kinderleben in der DDR.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt