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Autor
Niffenegger, Audrey

Die Frau des Zeitreisenden

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit
Beschreibung

Als Clare Abshire Henry De Tamble das erste Mal zu Gesicht bekommt, ist sie sechs und er sechsunddreißig Jahre alt. Schon viele Jahre ist er da mit ihr verheiratet und bemüht sich verzweifelt, ihre lang schon geschehene Zukunft nicht zu beeinflussen.

Als Henry Clare zum ersten Mal begegnet, ist sie gerade zwanzig Jahre alt und Kunststudentin, er ist ein achtundzwanzigjähriger Leichtfuß mit Hang zum Alkohol. Da hat Clare bereits ihre Kindheit mit ihm verbracht, während ihre Vergangenheit für ihn noch in der Zukunft liegt.

Verlag
Fischer Taschenbuch Verlag, 2005
Format
Taschenbuch
Seiten
544 Seiten
ISBN/EAN
978-3-596-16390-8
Preis
9,95 EUR

Zum Buch:

Als Clare Abshire Henry De Tamble das erste Mal zu Gesicht bekommt, ist sie sechs und er sechsunddreißig Jahre alt. Schon viele Jahre ist er da mit ihr verheiratet und bemüht sich verzweifelt, ihre lang schon geschehene Zukunft nicht zu beeinflussen. Als Henry Clare zum ersten Mal begegnet, ist sie gerade zwanzig Jahre alt und Kunststudentin, er ist ein achtundzwanzigjähriger Leichtfuß mit Hang zum Alkohol. Da hat Clare bereits ihre Kindheit mit ihm verbracht, während ihre Vergangenheit für ihn noch in der Zukunft liegt.

Verwirrt? Nun, wen diese kleine Ungereimtheit schon vor ein unlösbares Rätsel stellt, der sollte keinesfalls weiterlesen, denn Audrey Niffeneggers Roman Die Frau des Zeitreisenden ist nicht dazu angetan, solcherlei Ungereimtheiten aufzuklären. Es kann jedenfalls nicht schaden, sich vor der Lektüre noch mal ein wenig mit Einsteins Relativitätstheorie zu befassen. Denn im Verlauf des Buches ist es unerläßlich, Zeit als eine Dimension hinzunehmen, in der man sich nicht nur in eine Richtung und vor allem nicht nur linear fortbewegen kann. Henry nämlich, Protagonist und Titelgeber des Buches, ist durch einen Gendeffekt dazu verdammt, durch die Zeit zu reisen. Diese Reisen kann er nicht beeinflussen, kann weder den Zeitpunkt seines Kommens noch seines Gehens bestimmen und ist nicht einmal in der Lage, Dinge von einer Zeit in die andere mitzunehmen – Nacktheit ist daher auch der bleibende Eindruck, den er bei den meisten Menschen hinterläßt. Weder zu seiner, noch zu deren Freude. Und so verbringt er die meiste Zeit seines “On the time-Daseins” mit der Suche nach Essen und Kleidung und entwickelt im Laufe der Zeit nicht nur ein beträchtliches Maß an krimineller Energie, sondern auch beachtliches Talent beim Öffnen von Türen und beim Beschaffen von Geld und anderen Notwendigkeiten. 

Zeitreise, das klingt gemeinhin nach Mittelalter und Abenteuer, nach Science Fiction und düsteren Zukunftsvisionen. Nun, Henry De Tamble macht keine großen Zeitsprünge. Nur wenige Jahre, manchmal gar nur Tage oder Stunden gondelt er durch die fünfte Dimension, trifft Freunde und Verwandte und gar nicht selten auch sein eigenes Ich. Das führt zu skurrilen Situationen, die er mitunter sogar zweifach erlebt. Einmal als jüngerer, einmal als älterer Henry. So ist er es z. B. selbst, der sich auf seiner allerersten Zeitreise im Museum aufsammelt und seinem verstörten fünfjährigen Ich die Angst vor dem Phänomen nimmt. Bemerkenswert auch seine eigene Hochzeit, auf der er überraschend in eine andere Zeit verschwindet, um kurz darauf als älteres Ich seine große Liebe Clare vor den Altar zu führen. Überhaupt ist Clare die einzige Konstante im sprunghaften Leben des Bibliothekars. Clare, die Frau des Zeitreisenden, die ihren Mann nicht an die Arbeit oder an andere Frauen, sondern an die Zeit verliert und sich dabei nichts sehnlicher wünscht, als bei ihm bleiben zu können. 

Verwirrend, zugegeben. Doch so erstaunlich das alles auch erscheinen mag, Niffenegger schreibt darüber, wie über eine Selbstverständlichkeit. Und ganz selbstverständlich nimmt auch der Leser Henrys Zeitproblem in Kauf – was bleibt ihm auch anderes übrig. Denn der Roman ist nicht chronologisch aufgebaut, es gibt keine zeitliche Kontinuität, an der man sich entlanghangeln könnte. Der rote Faden setzt sich einzig aus Erinnerungen der beiden Protagonisten zusammen und genau wie Henry meint man auch als Leser manches mal, sich in der Zeit verloren zu haben. “Ich habe Angst, daß ich irgendwo in der Zeit strande und nicht mehr zurück kann. Ich habe Angst, dich zu verlieren.” läßt Niffenegger Henry dann auch einmal bekennen. Doch ebenso folgerichtig antwortet Clare: “Wie solltest du mich verlieren, ich bin doch immer da.”

Eine wunderbare Geschichte mit einem traurigen Ende, das trotzdem hoffnungsvoll stimmt, weil es eben keines ist. Die Zeit dreht sich im Kreis. Es lebe Einstein. Und Audrey Niffenegger! 

Julia Irsch, Ypsilon Buchladen & Café, Frankfurt/Main