Zum Buch:
Ich wurde als Frau und Jüdin dazu arm und unsterblich in Siebenbürgen bzw. Transsilvanien geboren. So beginnt Ana Novac ihr Vorwort zur deutschen Ausgabe von Les beaux jours de ma jeunnesse, und falls Sie eh wenig Zeit zum Lesen haben sollten, so kann ich Ihnen nur ehrlich raten: Lesen Sie dieses Buch nicht, lesen Sie irgendein anderes gutes Buch, aber nicht das hier. Dieses Buch kann man, einmal angefangen, unmöglich mittendrin wieder aus der Hand legen.
Es ist bitterkalte Nacht in Auschwitz. Nackt und kahl geschoren stehen sie bereits seit Stunden dicht aneinandergedrängt auf dem Appellplatz; Hunderte Frauen und Mädchen. Sie warten. Sie wissen, dass hier gleich etwas sehr Schreckliches geschehen wird.
Ana Novac ist gerade mal 15 Jahre alt, als sie in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert wird. Mit ihren Beinen, steif vor Schmerz, kann sie sich kaum aufrecht halten. Sie hat Angst. Alle haben sie Angst. Angst vor der keifenden Slowakin und ihrer Peitsche, den abgerichteten Hunden, aber mehr noch vor der im Dunkel lauernden Ungewissheit, die sich da wie ein Tier heranschleicht. Etwas wird geschehen. Jetzt gleich.
Ana überlebt diese Nacht. Und sieben weitere Lager. Es gelingt ihr, ein geheimes Tagebuch zu führen, das sie hütet wie ein Hungriger einen harten Kanten Brot. Sie schreibt. Sie schreibt, sooft sie kann.
Vor Jahren habe ich mich über einen langen Zeitraum hinweg eingehend mit Überlebensberichten befasst. Levi. Blatt. Semprún. Bardach. Irgendwann dachte ich, es sei nun genug. Doch hatte ich mich getäuscht. Ana Novacs Geschichte werde ich niemals mehr vergessen. Das ist Prosa von höchster Qualität. Traurig, witzig, schnoddrig, gehässig; die Lebendigkeit einer Fünfzehnjährigen, die den Leser von der ersten Tagebucheintragung an fesselt. Mir fehlen, ehrlich gesagt, die Vergleiche, ich habe so etwas noch nie gelesen. Ich glaube, niemand hat so etwas je vorher gelesen. Nehmen Sie sich die Zeit.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln