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Autor
Palla, Rudi

Der Kapitän und der Künstler

Untertitel
Die Erforschung der Terra Australis
Beschreibung

Als „Terra australis incognita“ bezeichnete der antike Geograph und Astronom Ptolemäus den sagenumwobenen Südkontinent, welcher, so die seinerzeit gängige Vorstellung, als Gegengewicht zur Nordhalbkugel die Erde im Gleichgewicht halten müsse. Wir Heutigen wissen, dass das nicht so ist, aber wie genau es dazu kam, eines der letzten Rätsel der Menschheit zu lüften, das ist natürlich eine ganz andere Geschichte, und die wird in dem spannenden und reich bebilderten Band „Der Kapitän und der Künstler“ erzählt, ein Buch, auf das man sich freuen kann.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
DuMont Buchverlag, 2013
Format
Gebunden
Seiten
152 Seiten
ISBN/EAN
978-3-8321-9729-2
Preis
32,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Rudi Palla wurde 1941 in Wien geboren und arbeitet dort als Autor und Filmemacher.

Zum Buch:

Ob nun Spanier, Holländer, Portugiesen, Franzosen oder Engländer – ab dem 16. Jahrhundert machten sich von den Häfen aller großen Seefahrernationen Schiffe auf, deren Bäuche bis zum Rand gefüllt waren mit Kisten und Fässern voller Leinenballen, Glasperlen, Spiegeln und Bleinägeln, allesamt billiger Plunder, mit denen man die edlen Wilden des sagenumwitterten Südkontinents über den Tisch zu ziehen gedachte, denn, und darin waren sich alle einig, dort „unten“ müsse es Schätze und Reichtümer in Hülle und Fülle geben, die nur darauf warteten, „entdeckt“ zu werden. Und für den möglichen Fall, dass man vor Ort auf Widerstand stoßen könnte, hatte man selbstredend und in ausreichender Menge auch Vorsorge getroffen.

Die meisten Schiffe und deren Besatzungen, die den weiten Weg antraten, wurden nie wieder gesehen, und diejenigen, die es doch noch irgendwie zurück in die Zivilisation geschafft hatten, waren sich darüber einig, dort „unten“ gäbe es den Tod, und ansonsten nur Wasser, nichts als Wasser. Diese Einstellung änderte sich mit der Zeit, und Anfang des 18. Jahrhunderts blieb es dann den beiden Erzrivalen Frankreich und Großbritannien überlassen, den Sieg um den Wettlauf zum Subkontinent unter sich auszumachen. Es waren bekanntlich die Briten, die schließlich das Rennen machten.

Die H. M. Investigator, ein ehemaliger, dreihundertdreißig Tonnen fassender und zum Forschungsschiff umgebauter Kohletransporter, stach im Januar 1801 Richtung Südmeer in See. An Bord des dreißig Meter langen Schiffes befanden sich neben der achtzigköpfigen Besatzung, befehligt von Kapitän Matthew Flinders, einem wahren Genie in Sachen Navigation und Kartografie, auch der zu seiner Zeit wohl bekannteste und fähigste, im südmährischen Feldberg geborene Pflanzen – und Tierillustrator Ferdinand Bauer, der es kaum abwarten konnte, die exotische Flora und Faune auf Büttenpapier festzuhalten.

Monate später. Als die Landungsbote der arg mitgenommenen Investigator, das erstes Schiff überhaupt, das den gesamten Südkontinent umrundet hatte, den Strand erreichten, fanden die Entdecker dort weder Schätze noch Reichtümer vor, ganz zu schweigen von edlen Wilden, mit denen sich Handel betreiben ließe. Sie stießen auf Horden von Ratten, groß wie Hunde, die sich seltsam auf zwei Beinen hüpfend fortbewegten und so zutraulich waren, dass sie sich reihenweise erschlagen ließen, um die ausgehungerte Mannschaft zu ernähren. Was nun die Einheimischen betraf, so handelte es sich hierbei um kräftige Farbige, groß, mit platten, breiten Nasen und ungewöhnlich hervorstehenden Stirnwülsten, deren Gesichter und Körper mit weißer Asche bemalt waren und die für den über Tausende Seemeilen herangekarrten Tauschkrempel nur ein müdes Lächeln übrig hatten und lieber in ihre ausgehöhlten Baumrohre bliesen. Es war brütendheiß. Mücken und Sandflöhe piesackten die Männer, die sich um Ruhm und Ehre gebracht fühlten. Und selbst der für alles Neue empfängliche Kapitän Flinders brannte darauf, den Kontinent für die britische Krone in Besitz zu nehmen und dann aber schleunigst zurück zu segeln. Das Land war kahl. Unfruchtbar. Verbrannt. Ein Ort, um zu sterben. Sein begnadeter Zeichner jedoch sah das ganz anders. Seite um Seite füllte der unermüdliche Ferdinand Bauer mit Skizzen und Aquarellen, Hunderten, Tausenden. Er wollte überhaupt nicht mehr weg.

Nur wenige Jahrzehnte später gründeten die Engländer in einer gut geschützten Bucht, die sie nach dem damaligen britischen Innenminister benannten, die erste Sträflingskolonie in Australien: Sydney. Aber das ist nur die andere Hälfte der Geschichte.

Die Entdeckung Australiens liest sich in ihrer Dramatik, ihrem nie verebbendem Spannungsreichtum beinahe schon wie eine erfundene Geschichte, und das verdankt der interessierte Leser ganz allein dem überragenden Erzähltalent eines Rudi Palla, dem es auf seine ihm ganz eigene, unvergleichlich mitreißende Art gelingt, Historie so zu vermitteln, als würde ein guter Freund sie erzählen, unter dem Funkenflug eines nächtlichen Lagerfeuers.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln