Zum Buch:
Nach Sylvia Plaths Selbstmord 1963 wurde die tragische Geschichte ihrer Ehe mit dem Lyriker Ted Hughes (nicht nur) in der literarischen Welt Gegenstand wilder Spekulationen, Gerüchte und Anklagen. Die Schuld, so die einhellige Meinung, lag zweifelsfrei beim Ehemann, der seine Frau, neidisch auf ihr Talent, unterdrückt, in die Hausfrauenrolle gezwungen und am Ende auch noch betrogen habe. Ted Hughes selbst reagierte auf alle Anwürfe mit Schweigen.
Nun hat ihm die holländische Autorin Connie Palmen eine Stimme gegeben und lässt ihn die Geschichte seiner Ehe erzählen. Palmen, die ihre eigenen, ebenfalls tragisch endenden Liebesgeschichten schon zwei Mal zum Gegenstand ihres literarischen Werks gemacht hat, schlüpft hier – auch stilistisch – so intensiv in die Haut ihres Ich-Erzählers, dass man bei der Lektüre immer wieder vergisst, dass hier ein fiktiver Ted Hughes spricht. Dieser fiktive Witwer breitet die Geschichte einer Liebe und einer Ehe vor uns aus, die von Anfang an auf den Tod hinzulaufen scheint. Wir lernen eine so begabte wie neurotische Sylvia kennen, die nicht willens oder in der Lage ist, sich ihren Dämonen – dem toten Vater und der dominanten Mutter mit ihren hohen Erwartungen – zu stellen, verzweifelt nach Anerkennung und Liebe sucht und beides nicht annehmen kann, wenn es ihr zufällt, eine junge Frau mit extremen Stimmungsschwankungen, die von einer Sekunde zur anderen von glühender Liebe zu erbittertem Hass, von kindlicher Abhängigkeit zu eigensinniger Selbstbehauptung wechselt. Und einen jungen Mann, der diese Frau leidenschaftlich liebt, sie mit all seinen Kräften dabei unterstützen will, ihrem Talent zum Durchbruch zu verhelfen, der sie von den Dämonen zu befreien sucht und gegen ihre Todessehnsucht ankämpft. Wir erfahren von zwei jungen idealistischen Dichtern, die sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam schreiben und in jeder Beziehung verschmelzen, zu einem einzigen Ganzen werden wollen und doch immer wieder hart auf dem Boden der Realität aufschlagen, weil eine solche Symbiose nicht nur unmöglich, sondern letztlich auch unerträglich ist. Palmen lässt „ihren“ Ted Hughes die Geschichte seiner Ehe und ihres tragischen Endes so voller Zärtlichkeit, Liebe, Trauer, Ratlosigkeit und Verzweiflung erzählen, dass man ihm zunächst bedingungslos folgt – bis sich allmählich Irritationen einschleichen. Denn so offen sie ihn über die Probleme und Dämonen seiner Frau – die er bis zum Schluss hartnäckig immer als seine „Braut“ bezeichnet – und seine Versuche sprechen lässt, sie dazu zu bewegen, sich ihnen zu stellen, so subtil zeigt sie, wie sehr er den Dämonen seiner eigenen Vergangenheit ausweicht. In der Beschreibung des gemeinsamen Lebens lässt sie allmählich sein Frauenbild aufscheinen, das dem der fünfziger und sechziger Jahre entspricht, und auch die damit verbundene Egozentrik, die es bei aller immer wieder beschworenen Gleichberechtigung zweier begabter Lyriker völlig selbstverständlich findet, dass sie seine Texte abtippt und verschickt, seinem Ruhm dient, die gemeinsamen Freunde in einer blitzsauberen Wohnung bewirtet, gegen ihren Willen mit ihm aufs Land zieht, weil er seine Ruhe und die Nähe zur Natur braucht, den Garten in Ordnung hält und die Kinder erzieht. Du sagst es ist damit weder eine Rechtfertigung des schuldlos in Verruf geratenen Ehemanns noch eine Anklage, desavouiert weder den einen noch die andere, sondern erzählt vielmehr auf ungeheuer berührende Weise von einer unmöglichen, aber höchst intensiv gelebten tragischen Liebe und stellt die Frage, wie weit in einer solchen Liebe die Verantwortung für den anderen geht und gehen kann. Eine Frage, die weit über diese eine Liebesgeschichte hinausgeht.
Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main