Zum Buch:
In ihren Texten verarbeitet dieser Troubadourin des argentinischen Weltschmerzes (desencanto) das jüdische Dasein in der großen Stadt, das Exil der Menschen, die schreiben, das Exil der Frauen, die Frauen lieben. Es ist die Reflexion über die Sprache, die die Dichterin zur Hauptfigur ihrer Texte macht, Verankerung ihrer Verzweiflung und einzige Hoffnung zugleich: Vielleicht wären[?] die Wörter das einzige, das existiert. Hier werden Fragmente aus folgenden Bücher vorgestellt: Die letzte Unschuld/La última inocencia (1956), Die verlorenen Abenteuer/Las aventuras perdidas (1958), Baum der Diana/ºrbol de Diana (1962), Die Arbeiten und die Nächte/Los trabajos y las noches (1965), Bergung des Wahnsteins/Extracción de la piedra de la locura (1968), Die musikalische Hölle/El infierno musical (1971), Die unmöglichen Bündnisse/Las uniones imposibles (o. J.), Figuren der Abwesenheit/Figuras de Ausencia (o J.), Die Besessenen im Flieder/Los poseídos entre lilas (o. J.) und andere Gedichte. Es sind nicht nur Gedichte, sondern auch kleine Meisterstücke von dem, was in Argentinien prosa poética genannt wird: aneinandergereihte Wortfetzen, wobei die Grammatik nicht allzu ernst genommen wird, Sätze, die keine Poeme seien wollen, unvollendete Gedanken. Dadurch ist sie mit Antonio Porchia (s. Bücher zu Lateinamerika 2002/03) und Olga Orozco (ebenda) verwandt. Die Übersetzung leidet an manchen Schwächen, hier wird der kolloquiale Rahmen der argentinische Variante vernachlässigt, die Anspielungen Pizarniks auf idiomatische Redewendungen sollten nicht einfach wörtlich übersetzt und auch manche Adjektive sollten überdacht werden, das Gewicht jedes ihrer Wörter hat es verdient. Nicht entschuldbar ist die Übersetzung Die Tödin (trotz aller oralen Erzähltraditionen aus Zentraleuropa!) für das spanische Original La muerte; wenn die Dichterin eine Verdrehung des Geschlechts des Todes hätte wählen wollen, hätte sie El muerte geschrieben. Diana Garcia Simon (Bücher zu Lateinamerika) Frankfurter Rundschau über Alejandra Pizarnik Alejandra Pizarnik stammte aus einer ukrainisch-jüdischen Einwandererfamilie in Argentinien, sprach fließend mehrere Sprachen, begann früh zu schreiben, genoss die Anerkennung von Italo Calvino und Octavio Paz, haderte stets mit sich und ihrem Leben, dem sie 1972 erst sechsundreißigjährig ein Ende setzte, wie Wagner im Zeitraffer berichtet. Die umfangreiche Gedichtauswahl, die der Amman-Verlag in einer edel gestalteten Ausgabe vorlegt, liest sich tatsächlich wie die Chronik eines angekündigten Todes, meint Wagner. Wörter wie “Leere”; “Nacht”, “Wahn”, “Wunde” und vor allem “Tod” prägten die Stimmung jedes Gedichts und tauchten auffällig häufig auf. Manchmal hat ihn dieser ständig ausgestellte Schmerz etwas peinlich berührt, bekennt Wagner. Ihr persönliches Drama, ihre innere Zerrissenheit hat Pizarnik dennoch ausgesprochen souverän gestaltet, hält er dagegen; ihre Bilder seien von einer dunklen Wucht, die ans Hermetische grenze, so undurchdringlich und persönlich wirkten teilweise ihre Chiffren.