Zum Buch:
Ein Diner für exzentrische Sammler im Sommerhaus eines Kunsthändlers, ein toter Koch in der Kühlkammer und mehr als genug heikle Geheimnisse aus der Vergangenheit, die einen Mord rechtfertigen könnten. Ein bizarrer Auftakt, der – kaum zu glauben – auch noch autobiographische Hintergründe hat. “Ich hatte mich einmal in einer Kühlkammer eingesperrt”, erzählt Carmen Posadas in einem Interview. “Und wäre beinahe darin umgekommen. Zum Glück hat jemand gemerkt, daß ich dort eingeschlossen war, aber ich werde es mein Lebtag nicht vergessen. Ich dachte die ganze Zeit, mein Gott, ich werde hier sterben, gefroren wie ein Sorbet, wie schrecklich! Der Tod kann nicht nur tragisch, sondern auch ganz schön lächerlich sein.” In der erstarrten Hand des toten Koches Nestor findet sich ein Blatt aus einem Notizbuch, das als “Kleine Infamien” überschrieben das ansonsten so geheime Wissen eines Küchenmeisters enthält. Enthält es über die reinen Rezepte hinaus vielleicht noch mehr Geheimnisse, Geheimnisse, deren Enthüllung einem Teil der illustren Gäste des Kunsthändlers Ernesto Teldi sehr unangenehm werden könnte? Was ist mit Señor Teldi selbst und seiner Vergangenheit im Argentinien der Militärdiktatur? Was mit den pädophilen Leidenschaften des Richters Serafín Tous? Oder Adela Teldis wechselnden Amouren, zur Zeit mit dem Assistenten des Chefkochs? Wäre da nicht der tote Koch und die allzu heikle Vergangenheit der Beteiligten, hielte der Leser eine hervorragende, ausgeprochen spritzige Gesellschaftskomödie in Händen: Mit zarter Hand überzeugend gezeichnete Figuren, deren so gegensätzliche Motive allerlei Sprengstoff bieten, bis hin zu einem Mord… Aber dann ist da eben der tote Koch in der Kühlkammer und plötzlich befindet man sich in einem fast klassischen Agatha-Christie-Krimi, in dessen Verlauf sich mehr und mehr herausstellt, daß jede der beteiligten Personen ein wenn auch noch so profanes Motiv haben könnte. Und schon ist man mitten drin einem Verwirrspiel, an dessen Ende die Frage steht: Was heißt hier überhaupt Mord? “Das Genre des Kriminalromans habe ich im Grunde nur aufgegriffen, um von Dingen zu erzählen, die mich wirklich interessieren”, sagt Carmen Posadas. Die menschliche Psyche etwa oder der satirische Blick auf die Gesellschaft. Es gibt ja auch keinen Detektiv in Kleine Infamien, diese Rolle kommt vielmehr dem Leser zu. In Frankreich hat man mich sehr freundlich als ‘Agatha Christies Erbin’ begrüßt, aber das sehe ich eigentlich nicht so, schon aus den eben genannten Gründen. Wobei ich gerne hinzufüge, daß für mich, im Gegensatz zu manchen Kritikern, Agatha Christie eine große Schriftstellerin ist.” Martina Morawietz, Köln