Zum Buch:
Als ich vor zwanzig Jahren zum ersten Mal „Als ich im Sterben lag“ von William Faulkner las, war meine Begeisterung darüber, wie der Autor mit Sprache umgeht, diese berechnende Weglassung, die Andeutung und Kargheit, absolut. All das war neu, war einzigartig. Ich kannte nichts Vergleichbares und rannte sofort los, um mir mehr davon zu besorgen. Und diese absolute Begeisterung hat über die Jahre hinweg in keiner Weise nachgelassen. Das Gegenteil ist der Fall. Für mich ist Faulkner der Autor, dessen Bücher ganz oben auf meiner Liste der mitzunehmenden Bücher stehen, wenn es heißen würde: Such dir etwas für die berühmte einsame Insel aus.
Beschrieben wird in diesem Roman der Leichenzug einer bettelarmen Farmersfrau, Addie Bundren, deren letzter Wunsch es war, nach ihrem Ableben auf dem Friedhof ihrer Heimatstadt Jefferson begraben zu werden. Ein Weg von 40 Meilen auf einer holprigen Landstraße, die von einem über das Ufer getretenen Fluss gekreuzt wird. Doch ist das nicht das Hauptproblem der Bundrens, die, eher unwillig und angetrieben von ganz unterschiedlichen, persönlichen Interessen, auf einem alten Mauleselgespann den Sarg begleiten. Da ist Anse, Addies Mann, zahnlos und brutal hinterhältig. Dann ihre Söhne: der älteste, Cash, ein wenig tumb aber dafür sehr geschickt mit den Händen, Darl, der kaum ein Wort über die Lippen bringt und den alle für verrückt halten, gefolgt vom hitzköpfigen Jewel, der nur an sein Pferd denkt, und schließlich der Jüngste, Vardaman, der fünf Jahre alt ist und pausenlos Fragen stellt. Als einzige Tochter ist da die blutjunge Dewey Dell, immer still und im dritten Monat schwanger, aber das weiß niemand.
Erzählt wird die Geschichte in Form einzelner Aussagen der Angehörigen sowie der Nachbarn Addies, und mehr und mehr fügt sich so ein Gesamtbild zusammen, werden die einzelnen Schicksale, die Ängste, Hoffnungen und Wünsche der Menschen deutlich, treten ihre tieferen Beweggründe zutage, die nicht immer, nein, die eher selten von Liebenswürdigkeit und Anteilnahme zeugen. Die Sprache, ich hatte das bereits angedeutet, ist immer schmucklos, ohne an Tiefe zu verlieren, immer zurückhaltend, als müssten Bilder für sich selbst sprechen, aber immer direkt und so, als könnte man das Geschehene so und nur so erzählen, und es ist gerade diese bedingungslose Schlichtheit, die die eigentliche Größe dieses Romans und überhaupt jedes Romans Faulkners ausmacht. Wer Faulkner einmal für sich entdeckt hat, der wird, und davon bin ich fest überzeugt, das einzig Naheliegende tun und sich mehr Faulkner besorgen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln