Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Filipenko, Sasha

Die Jagd

Untertitel
Roman. Aus dem Russischen von Ruth Altenhofer
Beschreibung

Wie es ist, in einem autokratischen System die Wahrheit über einen Mächtigen und seine Machenschaften zu schreiben, wie dann die Jagd oder besser die „Hetzjagd“ (so der russische Orginaltitel) beginnt, das beschreibt der belarussische Schriftsteller Sascha Filipenko sehr eindrücklich in seinem bereits 2016 veröffentlichten Roman, der jetzt auf Deutsch erschienen ist.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Diogenes Verlag, 2022
Format
Gebunden
Seiten
288 Seiten
ISBN/EAN
978-3-257-07158-0
Preis
23,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Sasha Filipenko, geboren 1984 in Minsk, ist ein belarussischer Schriftsteller, der auf Russisch schreibt. Nach einer abgebrochenen klassischen Musikausbildung studierte er Literatur in St. Petersburg und arbeitete als Journalist, Drehbuchautor, Gag-Schreiber für eine Satireshow und als Fernsehmoderator. Sasha Filipenko ist leidenschaftlicher Fußballfan und wohnte bis 2020 in St. Petersburg. Er hat Russland verlassen und hält sich derzeit an wechselnden Wohnorten in Westeuropa auf.

Zum Buch:

Wie es ist, in einem autokratischen System die Wahrheit über einen Mächtigen und seine Machenschaften zu schreiben, wie dann die Jagd oder besser die „Hetzjagd“ (so der russische Orginaltitel) beginnt, das beschreibt der belarussische Schriftsteller Sascha Filipenko sehr eindrücklich in seinem bereits 2016 veröffentlichten Roman, der jetzt auf Deutsch erschienen ist.

Der Journalist Anton Quint, kürzlich Vater geworden, hat viel herausgefunden über den russischen Oligarchen und selbsternannten Patrioten Wolodja Slawin. Er weiß, dass dieser sein durch Geldwäsche und andere dubiose Machenschaften erworbenes Vermögen lieber im Ausland verprasst. Er schickt seine Kinder auf teure französische Privatschulen, erkauft seinem Sohn einen Platz in einer berühmten Fußballmannschaft und trinkt seinen Rotwein lieber an der Cote d‘Azur.

Doch als Quint dieses Wissen in Russland veröffentlicht, erklärt ihm Slawin den Krieg und gibt den Journalist zur „Hetzjagd“ frei. Seine Handlanger Kalo und Lew, die beide aus armen Verhältnissen stammen und aufsteigen wollen, inszenieren ein perfekt geplantes und durchgeführtes Schauspiel, dessen einziges Ziel es ist, Quint in den Wahnsinn zu treiben. Das reicht von permanenter lauter Musik in der Nachbarwohnung über Fake-News in jeglicher Form über den Journalisten bis hin zur Bedrohung und Fast-Vergewaltigung seiner Frau. Durch den sich langsam steigernden und immer perfideren Terror wird Quint psychisch zerrüttet, und das Ganze endet in einer Katastrophe.

Der Roman ist als eine Art Sonate komponiert, mit entsprechenden Kapitelüberschriften und einer Definition am Anfang. Die Geschichte wird in kürzeren und längeren Kapiteln erzählt, und es kommen verschiedene Personen – sowohl Jäger als auch Gejagte – zu Wort. So entsteht ein Stück, dessen Grundton Angst, Ohnmacht, Verzweiflung auf der einen, Gewalt und Niedertracht auf der anderen Seite ist.

Die Geschichte liest sich rasant und spannend und lässt die LeserIn voller Schrecken zurück. Filipenko beschreibt in einer Art Blaupause, wie man in einem autokratischen System mit gleichgeschalteten Medien unliebsame Menschen nach Belieben fertig machen, jede kritische Meinung unterdrücken und die öffentliche Meinung manipulieren kann. Etwas, das wir im Moment täglich beobachten können, wenn wir den Worten Putins und seiner Gefolgsleute zuhören müssen, die der Weltöffentlichkeit die abenteuerlichsten Begründungen für den angeblich berechtigten Einmarsch in ein souveränes Land präsentieren.

Filipenko, der lange in Russland lebte, aber inzwischen nach Europa ins Exil musste, sagte dazu kürzlich in der ARD (Titel, Thesen,Temperamente v.27.2.2022) folgendes:
„Es handelt sich eindeutig um Methoden, mit denen bezweckt wird, die Menschen zum Schweigen zu bringen und einzuschüchtern, damit sie folgen und die Befehle ausführen. Diese Methoden werden bei Einzelnen eingesetzt, aber auch im großen Kontext. Sie haben schließlich nichts anderes auf Lager. Diese Methoden sind unmenschlich, schrecklich und kommen in jeder Sphäre zum Einsatz.“

Bettina Raue, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt