Zur Autorin/Zum Autor:
Alexander García Düttmann ist Professor für Philosophie und Visuelle Kultur am Goldsmiths College der University of London.
Der kleine Band erzählt von Daphnes Zeit in San Francisco, als sie noch ganz am Anfang ihrer wissenschaftlichen Laufbahn (als Philosophin?) stand. Doch wer ist Daphne? Und weshalb will sie jetzt, mehr als zehn Jahre später, wie es auf der ersten Seite heißt, „das Lob der Stadt San Francisco singen“? Wie singt sie ihr Lob? Der Titel Naive Kunst. Ein Versuch über das Glück unterstellt den Erinnerungsbildern die Form eines Essays – eine persönliche Abhandlung zwischen Kunst und Wissenschaft also über das Glück.
(ausführliche Besprechung unten)
Der kleine Band erzählt von Daphnes Zeit in San Francisco, als sie noch ganz am Anfang ihrer wissenschaftlichen Laufbahn (als Philosophin?) stand. Doch wer ist Daphne? Und weshalb will sie jetzt, mehr als zehn Jahre später, wie es auf der ersten Seite heißt, „das Lob der Stadt San Francisco singen“? Wie singt sie ihr Lob? Der Titel Naive Kunst. Ein Versuch über das Glück unterstellt den Erinnerungsbildern die Form eines Essays – eine persönliche Abhandlung zwischen Kunst und Wissenschaft also über das Glück.
Daphne – eine Frau, ein Mädchen, ein Mann, ein Junge, ein Ich, manchmal ein Du – will den erinnerten Bildern ihr Glück abgewinnen, ein Glück, von dem ungewiss bleibt, ob sie es damals wirklich erlebt hat oder ob es erst in der Nachträglichkeit des Erzählens aufblitzt. „Daphne, die Trümmerfrau des Scheins“, wird sie an einer Stelle genannt. Sie ist eine leidenschaftliche Kinogängerin und beschwört eine Buchhandlung in einer dunklen Straße der Innenstadt, die es heute nicht mehr gibt und die sie vermisst, obwohl sie in dem Laden nie ein Buch gekauft hat.
Daphnes Betrachtungen rücken San Francisco in die Nähe ihres Kindheitsortes bei den Großeltern auf dem Land in der Umgebung Barcelonas. Die Lektüre von Adornos Kindheitserinnerungen, in denen Amorbach zur Metapher für einen Zustand der Versöhnung wird, lässt sie verstehen, dass es nicht darum geht, einen „beschützten Ort“ zu erfinden, sondern einen „beschützenden“.
Während Adornos Amorbach im Niemandsland liegt, wird San Francisco für Daphne zu einer beseelten Welt, die in keine Kategorie passt, in der die Grenze zwischen Zufall und Absicht fließend ist und Gegensätze sich vereinen – der Strand und die Wälder, das Meer und die Berge, die breiten Autobahnen und die kurvenreiche Strecke der J-Tram, die Sonne und die hereinstürzenden Nebelfluten. „Is it a nerd? Is it a bird? It’s Daphne!“
Daphne sei, wunschlos schwebend, in San Francisco angekommen. Und doch bleibt sie eine Reisende, die sich weigert, sich dem ortsüblichen Kleidungsstil anzupassen, und die ihr gelobtes Niemandsland vielleicht doch eher in den Maschinen der Lufthansa findet.
Sidonia Blättler, Frankfurt am Main