Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Funder, Anna

Alles, was ich bin

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke
Beschreibung

Als die Nachricht durchs Radio kommt, dass Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat, bereitet der Journalist Hans Wesemann gerade Mojitas zu, und seine junge Frau Ruth hängt die rote Fahne aus dem Fenster, der jubelnden Berliner Menge zum Trotz. Noch wissen die beiden nicht, was nach der Machtergreifung auf sie und ihre Freunde zukommen wird. Der linke Freundeskreis, zu dem wesentlich der Dichter Ernst Toller und seine Freundin Dora Fabian gehören, wird bald in alle Winde zerstreut.

Anna Funder betont, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt. Aber unabhängig von der Wahrheit des historischen Geschehens entfaltet „Alles, was ich bin“ eine eigene – literarische – Wahrheit, und die trifft mitten ins Herz.
(ausführliche Besprechung unen)

Verlag
S.Fischer Verlag, 2014
Format
Gebunden
Seiten
432 Seiten
ISBN/EAN
978-3-10-021511-6
Preis
19,99 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Anna Funder, 1966 geboren, studierte in Melbourne und Berlin. Sie ist Autorin, Anwältin und Dokumentarfilmerin. Für ihr erstes Buch ›Stasiland‹ erhielt sie den Samuel Johnson Award. Ihr Werk ist in 25 Sprachen übersetzt. Sie lebt in Brooklyn.

Zum Buch:

Als die Nachricht durchs Radio kommt, dass Hindenburg Hitler zum Reichskanzler ernannt hat, bereitet der Journalist Hans Wesemann gerade Mojitas zu, und seine junge Frau Ruth hängt die rote Fahne aus dem Fenster, der jubelnden Berliner Menge zum Trotz. Noch wissen die beiden nicht, was nach der Machtergreifung auf sie und ihre Freunde zukommen wird. Der linke Freundeskreis, zu dem wesentlich der Dichter Ernst Toller und seine Freundin Dora Fabian gehören, wird bald in alle Winde zerstreut; ein Teil, darunter auch das Ehepaar Wesemann, trifft sich in London wieder, aber sie stellen bald fest, dass ihre Versuche, den Widerstand gegen die Nazis aus dem Ausland zu organisieren, nicht nur die britischen Behörden misstrauisch macht, sondern dass sie auch hier vor der Gestapo nicht sicher sind. Und sie müssen auf tragische Weise erfahren, dass nicht jeder von ihnen stark genug ist, die Zumutungen des Exils zu ertragen.

Es gibt zwei Erzähler in dieser Geschichte: die jetzt in Australien lebende Ruth, die im Alter feststellt, dass das allmähliche Versagen des Kurzzeitgedächtnisses das Langzeitgedächtnis umso stärker macht, und Ernst Toller, dessen kurz vor seinem Selbstmord 1939 verfasste Erinnerungen Ruth völlig unerwartet in die Hände fallen. Aus diesen beiden völlig unterschiedlichen Stimmen montiert Anna Funder die Geschichte der beiden Paare: Ruth und Hans, Ernst Toller und seine Geliebte Dora Fabian. Dabei steht in beiden Erinnerungen Dora im Mittelpunkt, die sich schon als Schülerin in der USPD engagierte und ihre jüngere und schüchterne Cousine Ruth, die die Welt lieber hinter der Deckung ihres Fotoapparates betrachtet, als an ihr aktiv teilzunehmen, in ihren Freundeskreis einführt. Dora liebt Toller, ohne sich binden zu wollen, und begibt sich ohne Zögern in große Gefahr, um nach seiner Flucht seine Werke zu retten. Hans ist der Sonnyboy in diesem Quartett, der erfolgreiche Journalist, den der plötzliche Verlust seiner Arbeit, seines Einkommens und seines Ansehens durch die Flucht am härtesten trifft. An diesen vier Figuren, die in den Erinnerungen der beiden Erzähler ungeheuer lebendig werden, macht die Autorin so unspektakulär wie bewegend deutlich, was es heißt, als politischer Exilant zu leben. Das Drama, das sich dort entspinnt und mit zwei Morden endet, ist so eindringlich, psychologisch so genau gezeichnet, dass es mir den Atem verschlagen hat. Anna Funder betont, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt, und Leserinnen und Leser, die mehr über Toller wissen als ich, werden diesen Aspekt des Buches mit Sicherheit sehr spannend finden. Aber unabhängig von der Wahrheit des historischen Geschehens entfaltet „Alles, was ich bin“ eine eigene – literarische – Wahrheit, und die trifft mitten ins Herz.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main