Zum Buch:
Hat man einen Autor erst einmal für sich entdeckt, dann will man immer noch mehr lesen, ganz gleich, was es auch sein mag, egal, erst einmal nur her damit. So ist es mir nach der Lektüre von William Gays 2009 erschienenen Romans Nächtliche Vorkommnisse ergangen, dessen Sprach- und Bildgewalt mich begeistert, ach was, geradezu vom Hocker gehauen hat.
Jetzt ist ein weiterer Roman (Gays Debüt) auf Deutsch erschienen und ich muss ehrlich zugeben: ich hatte zunächst meine Schwierigkeiten damit. Ich kam nicht rein. Mag sein, ich hatte gleich zu viel erwartet. Abschließend kann ich nur sagen: Er ist besser. Ist noch viel besser.
Die Geschichte spielt erneut in Tennessee, genauer gesagt in Ackerman`s Field, und sie beginnt mit einem Streit unter Nachbarn. Es ist Frühjahr 1933. Der Zimmermann und Landwirt Nathan Winer, der im County hohes Ansehen genießt, beschwert sich bei seinem Nachbarn, einem zwielichtigen, großmäuligen Mann namens Dallas Hardin, dem unter anderem nachgesagt wird, er würde den Sheriff schmieren und habe sein Land auf unrechtmäßige Weise erworben. Hardin ist Schnapsbrenner, jeder weiß das. Winer hat gerade wieder eine der Destillen auf seinem Land entdeckt, er ist stocksauer. Dann der Streit. Es kommt zu einem Handgemenge. Am Ende tötet Hardin Winer mit einem Kopfschuss, schleppt den Leichnam fort, verscharrt ihn in einer Geröllhalde.
Zehn Jahre später.
Nathan Winer jr. Versucht, die väterliche Farm zu retten, indem er die Schule aufgibt und sich in der Umgebung als Handlanger verdingt. Er und seine Mutter reden kaum noch miteinander, sie haben den plötzlichen Verlust des Gatten/Vaters nicht verwunden. Sie glaubt, er sei in dieser Nacht auf und davon, hätte sie beide einfach im Stich gelassen, und sie sagt, das könne sie ihm nie verzeihen. Nathan jr., auch wenn er zu der Zeit noch ein Kind war, hat immer schon daran gezweifelt, dass es sich damals so zugetragen haben soll. Aber eine andere Erklärung hat er auch nicht.
Entgegen aller Warnungen nimmt er dann einen gut bezahlten Job als Zimmermannsgehilfe an. Ausgerechnet bei Dallas Hardin. Eines Tages, während einer Arbeitspause, beobachtet er Hardin dabei, wie der sich mit einem Taschenmesser die Fingernägel säubert.
Woher haben Sie dieses Messer?
Herrgott, Junge, das weiß ich nicht mehr. Ich muss es schon zehn zwölf Jahre haben.
Lassen Sie mich mal sehen.
Hardin reicht ihm das Messer.
Der junge Winer hält es lange in der Hand. Er hat es sofort wiedererkannt.
Und jetzt Schluss genug vorweggenommen. William Gays Stimme ist so trocken und rau wie seine Protagonisten, und immer sind es gerade die zwielichtigen Gestalten, die Bösewichte, die seine Romane so außergewöhnlich machen. Ruhe nirgends ist einer dieser Romane, die man ganz gewiss ein zweites Mal lesen wird, und ich finde, bei der Menge an Neuerscheinungen ist das immer ein absolut gutes Zeichen.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln