Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Gilmour, David

Die perfekte Ordnung der Dinge

Untertitel
Roman. Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel
Beschreibung

Wie sieht ein Leben aus, wenn man zurück blickt? Ist es eine Erfolgsstory? Ein unendliches Drama? Was bringt es überhaupt, sich die Vergangenheit noch einmal zu vergegenwärtigen? David Gilmour erinnert sich an Menschen und sucht die Orte auf, die mit ihnen verbunden sind. In seinem neuen Buch „Die perfekte Ordnung der Dinge“ erscheint sein Leben als eine nicht endenwollende Kette von Peinlichkeiten, Scheitern, Verlust und Verrat. Und zum Schluss hat der Leser das Gefühl, mit dem Autor auf ein gelungenes Leben zurück zu blicken. Auf alle Fälle hat man ein gelungenes Buch gelesen!

Verlag
Fischer Verlag, 2011
Format
Gebunden
Seiten
256 Seiten
ISBN/EAN
978-3-10-027823-4
Preis
18,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

David Gilmour, Jahrgang 1949, lebt in Toronto, Kanada, und ist Buchautor, Fernsehmoderator, Journalist und Filmkritiker. Er wurde mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, etwa mit dem renommierten Governor General´s Award. Sein 16-jähriger Sohn Jesse schmiss die Schule und schaute sich mit seinem Vater zusammen Filme an. Wie es mit Jesse weiterging, kann man in ›Unser allerbestes Jahr‹ nachlesen. Es ist David Gilmours erstes Buch in deutscher Übersetzung und war in Kanada ein Bestseller.

Zum Buch:

Hierzulande wurde der kanadische Autor David Gilmour 2009 mit seinem wunderbaren Buch „Unser allerbestes Jahr“ bekannt, dem autobiographischen Bericht über ein Erziehungs- und Bildungsexperiment mit seinem Sohn Jesse mit Hilfe von Kinofilmen.

Auch sein neues Buch handelt von ihm selbst. Auf einer Fahrt durch Südfrankreich kommt Gilmour durch Toulouse. Dort war er in seiner Jugend für einige Wochen, und das einzige, was ihn an jedem einzelnen Tag überhaupt interessierte, war, ob er einen Brief von seiner Angebeteten Raissa erhalten würde (meist kam keiner). Jetzt schlendert er durch die Stadt und ist verblüfft, wie eingeengt seine Wahrnehmung damals gewesen war, was er alles nicht gesehen hatte, obwohl es direkt vor seiner Nase lag. Er taucht noch einmal in die Gefühle ein, die ihn beherrschten, als die einzig wichtige Frage für ihn war, ob er jemals wieder mit ihr schlafen würde.

Diese Erfahrung lässt in ihm ein Projekt reifen, von dem „Die perfekte Ordnung der Dinge“ erzählt: die Rückkehr zu anderen Orten, an denen er gelitten hatte. „Ich wollte sie wieder sehen, aber diesmal mit offenen Augen, den Blick nicht mehr nach innen, sondern nach außen gerichtet.“

So begleiten wir den Autor durch sein Leben, folgen ihm von Scheitern zu Liebeskummer, vom Freundschaftsverrat zur peinlichen Selbstentblößung. Man lernt, dass das Glück, durch eine kleine Erbschaft von der Pflicht zur Erwerbsarbeit entbunden zu sein, bedeuten kann, in die absolute persönliche Bedeutungslosigkeit abzusinken. Dass eine niederschmetternde Begegnung mit Robert de Niro (Gilmours erste Frau ist Organisatorin des Toronto Film-Festivals) das endgültige Ende einer Ehe einläuten kann. Wieviel Hass ein Autor auf einen Literaturkritiker entwickeln kann, der seine Bücher regelmäßig gelangweilt verreißt. Gilmour spricht aber auch vom Trost durch Musik (ein wunderbares Kapitel über die Beatles) und Literatur („Krieg und Frieden“ begleitet ihn für lange Zeit durchs Leben).

Am Ende schließt sich der Kreis. Gilmour ist mit seinem Sohn Jesse auf einer Lesereise in den USA. Sie präsentieren zusammen „Unser allerbestes Jahr“. In einer Pause entspinnt sich ein Gespräch zwischen Vater und Sohn über Raissa, die erste Liebe des Vaters, und wie es gelingt, solche Enttäuschungen zu überwinden. „Aber du bist schließlich doch darüber hinweggekommen?“ „Ja.“ „Und du hattest ein gutes Leben?“ „Wir sind hier, stimmt’s?“

Dann merkt er: es ist gar nicht so, dass er für sein neues Buch an all die alten Orte zurückkehrt und all die alten Begebenheiten mit neuem Blick zu sehen versucht. Er bereitet sich auf sein Sterben vor! „Ich strukturiere meine psychischen und emotionalen Erfahrungen, ich schaffe Ordnung.“ Sterben geschieht für ihn nicht plötzlich, auf einmal durch eine Krankheit. Sterben ist ein Prozess wie das langsame Verlöschen einer Glühbirne. Und wenn man es bewusst erlebt, verliert es seinen Schrecken. Man hat Zeit, die Dinge des Lebens in eine „perfekte Ordnung“ zu bringen. Das ist so heiter, tröstlich und oft irre komisch, dass man unter diesem Gesichtspunkt das Buch gleich wieder von vorn anfangen möchte – auch wenn es ein paar sprachliche Patzer gibt, von denen man nicht weiß, ob sie dem Original oder der Übersetzung geschuldet sind.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co., Frankfurt