Zur Autorin/Zum Autor:
William Gay, geboren 1943, lebt in den Wäldern von Tennessee. Er arbeitete als Schreiner und Maler, bis 1999 sein erster Roman Provinzen der Nacht erschien. Nächtliche Vorkommnisse ist sein jüngster Roman.
Ein kleiner Ort in Tennesse, am Rande einer Wildnis. Schlimme Dinge geschehen hier. Ziemlich schlimme Dinge. William Gay hat einen Roman geschrieben, der durch seine Sprachgewalt neue Maßstäbe setzt. William Gay. Den Namen sollten Sie sich merken.
Falls Sie in den letzten Jahren meine Rezensionen verfolgt haben, dann wissen Sie: ich bin ein großer Bewunderer von William Faulkner und Cormac McCarthy. Zugegeben, bisher hatte ich keine Ahnung, dass man dieses Genre Southern Gothic-Literatur nennt. Ehrlich gesagt, ich wusste bis heute nicht mal, dass es sich dabei überhaupt um ein Genre handelt. Jedenfalls habe ich jetzt einen neuen Vertreter dieser Art zu schreiben, für mich entdeckt, sein Name ist William Gay, der Roman heißt Nächtliche Vorkommnisse und zählt zu einem der besten, die ich als Vielleser in diesem Halbjahr in die Finger bekommen habe.
Winter 1951, irgendwo in Tennessee. Während eines heftigen Platzregens graben die beiden halbwüchsigen Geschwister Corry und Kenneth Tyler den Leichnam eines stadtbekannten Schwarzbrenners aus. Der Junge steht bis zu den Knien im nassen Lehm, bricht mit dem Spaten den Sargdeckel auf, greift dann nach der Petroleumlampe Es stimmt also. Seine Befürchtungen finden sich auf grausame Weise bestätigt. Er klettert aus dem Grab. Lässt sich schwer neben seine Schwester fallen. Wie wir dachten? Ja. Schlimmer. In dem Sarg liegt, schrecklich zugerichtet, Moose Tyler, ihr Vater. Der Mann, der ihm das post mortem angetan hat, heißt Fenton Breece und ist der Bestattungsunternehmer im Ort. In den nächsten Nächten öffnen sie weitere Gräber, und es ist immer das Gleiche, wenn auch anders und kaum zu beschreiben. Die beiden beschließen, Breece zu erpressen. Sie stehlen Fotos, äußerst belastende Fotos, die ihn direkt ins Irrenhaus befördern würden, wenn nicht auf den Elektrischen Stuhl. Breece muss diese Fotos um jeden Preis wiederhaben, muss jemand damit beauftragen. Aber es darf nicht irgendjemand sein. Es muss Sutter sein. Sutter ist ein zwielichtiger, brutaler Kerl, dem jegliche Moralvorstellungen schon lange abhanden gekommen sind, der nur eine Sprache kennt, die der Gewalt. Er ist sich sicher: das ist leicht verdientes Geld, die Tylers sind ja noch halbe Kinder, der Job also so gut wie erledigt. Doch schon sind erste Opfer zu beklagen, die Sache gerät völlig aus dem Ruder, und es dauert nicht lange, da geht es Sutter nicht mehr um die Fotos, um das Geld; er nimmt die Sache persönlich. Eine Jagd beginnt. Irgendwo in Tennesse. Um die Bewahrung der nackten Existenz, darum geht es in diesem beinahe schon greifbar dichten Roman; ob Mensch oder Tier oder gar die gebeutelte Landschaft, einer wird verlieren, einer muss verlieren. Entweder du oder ich. Dann besser du. William Gay war bereits 56, als sein erster Roman erschien: Provinzen der Nacht. Man merkt sehr schnell, dass er schon einiges erlebt haben muss, um so schreiben zu können. Nächtliche Vorkommnisse ist ebenso beeindruckend wie bedrückend in Szene gesetzt, ist geradezu brillant in seiner Sprachgewalt. Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln