Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Maier, Andreas

Kirillow

Untertitel
Roman
Beschreibung

Unversehens – leichter noch als in den ersten beiden Romanen – verstrickt uns Andreas Maier mit Kirillow in das Beziehungs- und Redegeflecht einer Gruppe junger Leute, die ständig in Bewegung ist: auf der Suche nach Erleuchtung, einem Lebensziel, einem Partner, Anerkennung, mehr Alkohol und mehr Würstchen und einem Schlafplatz für den Rest der Nacht. Ebenso unterhaltend wie bestechend wirkt die Komik, mit der Maier den Ernst der Krankheit Jugend zum Gegenstand seines Erzählens macht, ohne die kleinste Konzession an den Jux.

Verlag
Suhrkamp, 2005
Format
Gebunden
Seiten
350 Seiten
ISBN/EAN
978-3-518-41691-4
Preis
19,80 EUR

Zum Buch:

Andreas Maier vollzieht in seinem neuen Roman die Wendung von Thomas Bernhard zu Dostojewski und gipfelt in der ersten literarischen Verarbeitung des Castor-Widerstands im Wendland. Im ersten Kapitel treibt Maier zunächst die aus seinen ersten beiden Romanen “Wäldchestag” und “Klausen” bekannte, aus der Wiedergabe von Gerüchten im Konjunktiv bestehende Erzähltechnik auf die Spitze: Ein Mietshaus, in dem es ein verdächtiges Subjekt gibt. Der ehemalige Student Frank Kober hat nach längerer Abwesenheit sein Appartement wieder bezogen, hält es nicht für nötig, seinen Nachbarn Rechenschaft abzulegen und bekommt Besuch von Russen. Nach dieser Einführung ändert Maier radikal die Perspektive und schildert nun abwechselnd aus der Sicht einiger Hauptfiguren die Welt einer mehr oder minder anarchisch-linksradikalen, nicht zu knapp Alkohol und Drogen konsumierenden Frankfurter Kneipenszene, in die eine Gruppe Russen und Russlanddeutscher durch einen gemeinsamen Bekannten hineingerät und trotz größtmöglicher Fremdheit in der Lebenseinstellung bzw. durch mangelnde Sprachkenntnisse unmöglicher Kommunikation sofort in diese Szene integriert wird. Die Russen be- richten von einem Andrej Kirillow aus ihrer Heimatstadt, der offenbar Frank Kober erstaunlich ähnlich ist. Von diesem Kirillow geistert bald ein “Manifest über den Weltzustand” durch die Szene und bald auch durchs Internet, das insbesondere Julian Nagel elektrisiert. Julian, ein paar Jahre jünger als Frank Kober, den er einmal als eine Art großen Bruder betrachtet hat, ist ein sehr zorniger junger Mann, am zornigsten manchmal darüber, daß Frank Kober offenbar in seinem Zorn über den Weltzustand nachgelassen hat. Kober dagegen scheint eine gewisse Verantwortung für Julian zu empfinden, der unterstützt durch fortgesetzten Alkoholgenuss zwischen euphorisch-manischen-de- pressiven Zuständen schwankt. Bei der finalen Anti-Castor-Demonstration unternimmt Julian eine Amokfahrt mit einem Traktor, wird von der Polizei angeschossen und Frank Kober, der sich um ihn kümmern will, kommt ums Leben indem er von dem mittlerweile von einem Polizisten gefahrenen Traktor über- rollt wird. Trotz des Wechsels der Perspektive vom Gerücht zur Innenansicht verschiedener Personen schafft es Maier, den Grundton des Stimmen- gewirrs aufrecht zu erhalten, durch das schließlich die Absurdität menschlichen Handelns und Zusammenlebens verdeutlicht wird. Die titelgebende Figur Kirillow kommt übrigens bei Dostojewski in den “Dämonen” als Theoretiker des Absurden vor, der einen politisch motivierten Selbstmord begeht, was den Tod Frank Kobers, der bei Maier eine Art alter ego Kirillows ist, noch mal in anderem Licht erscheinen lässt. Nicole Eckert, ROSTA Buchladen, Münster