Belletristik

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Buchempfehlung Belletristik

Autor
Melo, Patricia

Leichendieb

Untertitel
Thriller. Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita
Beschreibung

Eigentlich sollte es ja nur eine ganz gemütliche Angeltour werden. Doch was tun, wenn die plötzlich darauf hinausläuft, dass man bis zum Hals im brasilianischen Drogensumpf steckt und sich nur dadurch zu retten weiß, dass man kurzerhand auf Erpressung setzt? Und eine Leiche klaut?
Patrícia Melos neuer Roman ist eine trockene und außergewöhnlich gut in Szene gesetzte, tiefschwarze Komödie, die mit leichter Hand die Gräben zwischen Gut, Böse und richtig Böse auslotet.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Tropen-Verlag, 2013
Format
Gebunden
Seiten
208 Seiten
ISBN/EAN
978-3-608-50118-6
Preis
18,95 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Patrícia Melo wurde in São Paulo geboren. Die Autorin und Dramaturgin schreibt Romane, Hörspiele und Drehbücher. Die Times kürte Patricia Melo zur führenden Schriftstellerin des Millenniums in Lateinamerika. Außerdem wurde ihr der Prix Deux Océans verliehen. Patrícia Melo lebt mit ihrem Mann in der Schweiz.

Zum Buch:

Ein stinknormaler Sonntagmorgen im ländlichen Corumbá, irgendwo in der Nähe von São Paulo. Es ist schon jetzt brütend heiß. Im Radio bringen sie gerade die üblichen schlechten Nachrichten über Morde, Drogenrazzien, Erdbeben und kilometerlange Staus. Ihn stört das nicht weiter, im Gegenteil, er kann sich dabei regelrecht entspannen, denn wie er hier in seinem alten Pick-up sitzt und bei heruntergelassenen Fenstern gemütlich Richtung Grenze fährt, um dort ein bisschen zu angeln, ist er ja nicht im geringsten Maße von einem dieser Übel betroffen. Also was soll’s?

So in etwa beginnt der neue Roman von Patrícia Melo, und was dann folgt, ist für mich weniger Thriller oder gar Krimi, vielmehr liest sich dieser temporeiche Roman für mich wie eine rabenschwarze Komödie, makaber, schmutzig, prall gefüllt mit Lokalkolorit und äußerst schrägen Situationen; auch wenn man nicht mal richtig dazu kommt, zu lachen, denn der Text liest sich schnell, liest sich richtig schnell.

Endlich am Fluss angekommen, hockt er sich in den Schatten einer Palme, öffnet eine erste Dose Bier und wirft die Leine aus. Offiziell ist das Fischen hier zwar verboten. Aber das Gute daran ist, man ist auch ganz für sich allein. Also angelt er. Trinkt seine Biere. Döst bald daraufhin ein.
Plötzlich wird er von Motorenlärm geweckt, gefolgt von einer heftigen Explosion, und gerade sieht er noch, wie sich ganz in der Nähe ein einmotoriges Flugzeug ungebremst in das Flussbett bohrt. Scheiße. Dichter Qualm steigt aus dem Cockpit, in wilder Panik reißt er sich die Kleider vom Leib und stürzt sich in den Fluss, doch für den jungen Piloten kommt jede Rettung zu spät.
Da entdeckt er hinter dem Pilotensitz einen kleinen Rucksack, in dem er ein Päckchen mit einem Kilo Koks findet. Er überlegt.
»Ich weiß nicht, wer das gesagt hat, aber es stimmt absolut, der Mensch ist nicht lange ehrlich, wenn er alleine ist.«

Dummerweise kommt er auf die Idee, den Stoff zu behalten und über einen Freund zu verkaufen, der sich als völlige Niete erweist. Und von da an mehren sich die Probleme in kürzesten Abständen, bis er schließlich bei einem Drogenboss mit 50.000 Dollar in der Kreide steht und, um seinen Hals zu retten, die reichen Eltern des verstorbenen Piloten erpressen will. Nur braucht er dazu ganz dringend eine passende Leiche.

Schon „O Matador“ von Patrícia Melo – damals, lange her, noch ein Insidertipp – hat mir außergewöhnlich gut gefallen. „Leichendieb“ ist genauso gut. Vielleicht besser. Ein Buch, das mit Sicherheit von ganz alleine seine Kreise ziehen wird, ein Tipp unter Eingeweihten, noch, ein Buch mit Kultstatus, jetzt schon.

Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln