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Buchempfehlungen Sachbuch

Autor
Abulafia, David

Das Mittelmeer

Untertitel
Eine Biographie. Aus dem Englischen von Michael Bischoff
Beschreibung

Ein wunderbares und höchst lehrreiches Buch zum Schmökern – mit großer Detailfreude hat der Historiker David Abulafia in einer großen Studie zusammengetragen, was man wissen sollte über dieses Binnenmeer, das sich stetig erneuert durch eine in die nordöstliche Ägais fließende starke Strömung aus dem Schwarzen Meer und durch die kalten Wellen des Atlantiks, die bei Gibraltar ins Mittelmeer drängen. Im alten Ägypten hieß es das Grüne Meer, die Juden nannten es Großes Meer, die antiken Römer mare nostrum, Unser Meer, wir nennen es Mittelmeer.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
S.Fischer Verlag, 2013
Format
Gebunden
Seiten
960 Seiten
ISBN/EAN
978-3-10-000904-3
Preis
34,00 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

David Abulafia, geboren 1949, ist Professor für die Geschichte des Mittelmeerraumes an der Universität Cambridge und Fellow am Gonville and Caius College und an der British Academy.
Zudem ist er Mitglied der Academia Europa.

Für seine Arbeiten zur italienischen und mediterranen Geschichte wurde er 2003 zum Commendatore dell´Ordine della Stella della Solidarietà Italiana ernannt.

Zum Buch:

Ein wunderbares und höchst lehrreiches Buch zum Schmökern – mit großer Detailfreude hat der Historiker David Abulafia in einer großen Studie zusammengetragen, was man wissen sollte über dieses Binnenmeer, das sich stetig erneuert durch eine in die nordöstliche Ägais fließende starke Strömung aus dem Schwarzen Meer und durch die kalten Wellen des Atlantiks, die bei Gibraltar ins Mittelmeer drängen. Im alten Ägypten hieß es das Grüne Meer, die Juden nannten es Großes Meer, die antiken Römer mare nostrum, Unser Meer, wir nennen es Mittelmeer, ein Meer zwischen den Küsten, an denen man Spuren gefunden hat, die auf eine Besiedlung schon vor 450 000 Jahren schließen lassen. Etwa 22 000 Jahren vor Christus dann begannen die Menschen, sich dem Meer zuzuwenden, und hier setzt jener gelehrte kultur- und zivilisationsgeschichtliche Streifzug des Autors ein, der in der Gegenwart endet. Er schildert in eindrucksvoller Detailgenauigkeit den langen Prozess, in dem das Mittelmeer zu einem einzigen wirtschaftlichen, kulturellen und – unter den Römern – politischen Raum heranwuchs.

Das Mittelmeer war die Verkehrsader, auf der seit frühester Zeit der Handel Getreide, Metalle, Gewürze, Purpur und – von der Antike bis in die Neuzeit – auch Sklaven verschifft hat. Aus dem östlichen Mittelmeer segelten die Korinther nach Westen, um in Sizilien die Kolonie Syrakus zu gründen. David Abulafias Thema ist die „menschliche“ Geschichte des Mittelmeerraums, eine Geschichte von „Kontakten und von Konflikten“. Vom Meer her gesehen schildert er die Vielfalt der mediterranen Kulturen, Ideen und Religionen, einer ständig äußeren Einflüssen ausgesetzten und sich daher unablässig ändernden Vielfalt.

Damit verfährt er kontrapunktisch zu dem berühmten Werk Fernand Braudels über die mediterrane Welt in der Zeit Philipps II. , das seinen Blick auf Strukturen und Zyklen konzentrierte. Im Unterschied zu Braudel schenkt der in Cambrigde lehrende Professor auch nicht nur einem, sondern allen Zeitaltern die gleiche Aufmerksamkeit.

Wir folgen ihm – über kurzweilige achthundert Seiten – vom Ersten Mediterranen Zeitalter durch die Welt der homerischen Antike bis zum Fünften, das 2010 endet. Dazwischen lesen wir von mittelalterlichen Söldnern, Missionaren des christlichen Mittelmeerraums, vom Siegeszug des Islam, begegnen Gelehrten der arabischen Hochkultur, Abenteurern, Kriegsherren. Farbig sind die Schilderungen vom Aufstieg großer Reiche und von Städten wie Karthago, Dubrovnik, Smyrna, Amalfi oder Venedig. Städte, die mit dem zunehmenden Austausch von Waren, Lebensstilen, Moden und Ideen zu kosmopolitischen Zentren aufblühten und später durch Kriege und die Große Pest verheert wurden oder durch die Entdeckung neuer Handelswege über den Atlantik und den Indischen Ozean in Bedeutungslosigkeit versanken.

Der Autor lenkt den Blick schließlich auch auf die fatalen Folgen blinder Kolonialpolitik und die aktuelle Problematik des Mittelmeerraums, die die frühere convivencia, das Zusammenleben unterschiedlicher Religionen und Kulturen, als einen fernen Traum erscheinen lassen. Real dominieren die Differenzen der einzelnen Mittelmeernationen, unüberwindbar scheint auch die Kluft zwischen der EU und ihren orientalischen Nachbarn – Differenzen, die, wie bei Abulafia nachzulesen, erst eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts sind.

Michaela Wunderle, Frankfurt am Main