Zum Buch:
Axel Vits, Der andere Buchlanden, Köln
Ausstreichen aus der Geschichte. Auslöschen. Ausrotten. Völkermord. 1943 »erfand« ein polnischer Anwalt ein anderes Wort dafür: Genozid. Ob unter den Terrorregimes des Nationalsozialismus, Stalins, Maos oder Kim Il Sungs, ob in Armenien, Guatemala, Ruanda, Darfur, man assoziiert zunächst und überhaupt die schrecklichsten Bilder mit diesem Begriff. Was genau aber bedeutet er eigentlich? Laut UN-Resolution 180, Artikel II, definiert sich Völkermord als »Handlungen, begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.« Aber Massenmord ist keineswegs eine Erfindung des neuzeit-lichen Menschen. Man vermutet sogar, dass die Neandertaler nicht einfach im Nebel der Zeit verschwanden und durch den Homo sapiens abgelöst wurden, vielmehr ist man heute der Meinung, sie wurden ausgerottet. Vor ca. 30.000 Jahren. Ben Kiernan, Professor für Geschichte und Direktor des Genocide-Studies-Programms an der Universität von Yale, beschreibt auf knapp 1000 Seiten die alle Kontinente umspannende Geschichte des Völkermordes, angefangen bei der völligen Vernichtung des antiken Karthagos über die spanische Eroberung der Neuen Welt, den Siedlerkolonialismus in Irland, Nordamerika, Afrika und Australien, den Sowjet- und NS-Terror bis hin zu den Schauplätzen unserer Zeit.
Zugegeben, hierbei handelt es sich keineswegs um unterhaltsame Abendlektüre und meine Freundin hat mich auch schon kopfschüttelnd gefragt, weshalb ich solche Bücher eigentlich lese, bzw. rezensiere.
»Na ja, ganz einfach deshalb, weil mich das Warum interessiert.«
Was muss geschehen, dass Menschen sich so etwas antun? Ein Genozid geschieht ja nicht von heute auf morgen. In der 60 Seiten umfassenden Einleitung steht ein Satz, der mich ziemlich nachdenklich gemacht hat und den ich hier gerne wiedergeben möchte. Dort heißt es: »Dass die Welt friedlicher wird, ist kein Trost für die Menschen, die in Darfur, Irak, Kolumbien, im Kongo oder in Nepal leiden.« Das liest sich so einfach. Bis es dann sackt und angekommen ist.
Wieder eines dieser »lesbaren« Sachbücher. Ben Kiernan ist ein guter Erzähler, er hat es nicht nötig, »mit der Kamera voll drauf zu halten«, was hier interessiert, ist das Warum, das Wie. Und die Antworten hierauf.
Axel Vits, Der andere Buchlanden, Köln