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Jesus. Jesus von Nazareth. Jesus Christus. Wie man ihn auch nennen mag, es gibt nur drei historisch verbürgte Tatsachen um diese Person: Er war Jude. Er führte eine jüdische Volksbewegung im Palästina zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. an. Und er wurde deswegen von den Römern gekreuzigt. Aber was geschah zwischen diesen beiden Eckpfeilern der Geschichte? Wer war dieser Mann denn nun wirklich?
Der Name Jesus war in der damaligen Zeit (und in der entsprechenden Region) ebenso geläufig wie heutzutage Sven oder Kevin. Um ihn also von seinen vielen Namensvettern abzuheben, gaben ihm seine Anhänger – in einer Zeit, in der man keine Nachnamen kannte – der Einfachheit halber den Beinamen „von Nazareth“, nach seinem Geburtsort; einem unbedeuteten Weiler mit schiefen Lehmhütten, ohne Straßen, ohne Synagoge und mit nur einem einzigen Ziehbrunnen. In Nazareth lebten die verarmten Familien von Kleinbauern und Tagelöhnern, wobei letztere sich auf einer Großbaustelle in der nahegelegenen Provinzhauptstadt ihr bescheidenes Salär verdienten, mit dem sie gerade mal über die Runde kamen. Und es ist mehr als anzunehmen, dass Jesus‘ Vater, der ein ungebildeter Analphabet war, was ebenso für seine Söhne und Töchter galt, auf eben dieser Baustelle gearbeitet hatte – und das sicherlich nicht als Zimmermann. Und es ist weiterhin anzunehmen, dass auch Jesus und seine Brüder, als sie alt genug waren, dort geschuftet hatten, es gab ja auch nicht wirklich viele Alternativen.
Es sei denn, man wurde Wanderprediger, Wunderheiler, professioneller Exorzist oder messianischer Prophet, und davon gab es lange vor Jesus nicht wenige. So zum Beispiel der völlig verarmte Ziegenhirte Athrogenes, der sich, eher aus einer Laune heraus, mal eben selbst zum König der Juden ausrief und mitsamt seiner vierhundertköpfigen Anhängerschaft von einer Legion römischer Soldaten niedergemetzelt wurde, denn für derartige Aufwiegler, Revolutionäre und Zeloten hatte man nur eine einzige Bezeichnung: Banditen. Und entsprechend verfuhr man mit ihnen.
Davon ließ sich Jesus von Nazareth jedoch nicht einschüchtern, und so wanderte er über die Dörfer, gefolgt von einer stetig wachsenden Anhängerschar, die sich jedoch mehr für seine Wunder, besser gesagt, seine „Kunststücke“ interessierten. Das wäre auch alles nicht schlimm gewesen, Konkurrenz belebt das Geschäft, damals wie heute, und solange er sich an die Regeln hielt und den anderen nicht in die Suppe spuckte, ließen sie ihn machen.
Aber Jesus hielt sich nicht an die Regeln. Denn anders als seine „Kollegen“ nahm er nicht einen Schekel, im Gegenteil, er war eine Art Gratisheiler, und das wurde ihm schließlich zum Verhängnis.
Auch wenn sich das hier jetzt teilweise wie nach Monty Pythons „Das Leben des Brian“ oder Christopher Moores „Die Bibel nach Biff“ anhören mag, der renommierte Religionssoziologe Aslan Reza, der bereist 2006 mit seinem Buch „Kein Gott außer Gott. Der Glaube der Muslime von Muhammad bis zur Gegenwart“ für Furore sorgte, weiß ganz genau, wovon er spricht, er hat sich nicht umsonst zwei Jahrzehnte lang mit dem Stoff beschäftigt und sein horrendes Wissen in einen anschaulichen, leicht verständlichen Text eingefügt, der dem Leser eher wie ein ungemein gut recherchierter und packend erzählter historischer Roman erscheint. Ohne lange überlegen zu müssen kann ich behaupten, „Zelot“ zählt für mich zu einem der außergewöhnlichsten Sachbücher der letzten Jahre.
Axel Vits, Der andere Buchladen, Köln