Zum Buch:
Nicht erst seit gestern bedienen sich Menschen ungefragt am geistigen Eigentum Anderer. Raubkopien von Büchern, CDs oder DVDs gibt es schon lange; aber war deren Produktion bis vor ein paar Jahren noch mit hohem technischen Aufwand verbunden und nur einer kleinen Anzahl von Personen möglich, so hat spätestens mit dem Einzug des Internets in fast alle Haushalte jedermann die Gelegenheit, Bücher, Musik und Filme zu kopieren und zu verbreiten. Und die Internet-User machen fleißig Gebrauch von dieser Option. Es ist so einfach, ein Video bei You-Tube runterzuladen und auf die Facebook-Seite zu stellen oder sich die neue Staffel einer amerikanischen Serie, die in Deutschland noch nicht angelaufen ist, auf den USB-Stick zu ziehen. Dabei achtet kaum noch jemand auf rechtliche Normen. Das ist doch alles so leicht zu finden und kostenlos zu haben.
Ein Unrechtsempfinden haben dabei die Wenigsten. Das Internet ist anonym, da sitzt am Ende niemand an der Kasse, und außerdem machen das ja alle. Doch wie geht es den Urhebern damit, dass sich jeder an ihren Produkten bedienen kann, so wie er möchte? Diese Debatte erreichte 2012 ihren bisherigen Höhepunkt. Im März erregte der Schriftseller und „Element of Crime“-Sänger Sven Regner großes Aufsehen, als er sagte: „Ich kann die ganzen asozialen Leute nicht mehr hören, die immer sagen, diese Künstler sind ja sowieso alle Nutten, wenn sie‘s für Geld machen. Die Leute haben für alles Geld, aber wir sollen das alles umsonst machen. Ein Geschäftsmodell, das darauf beruht, dass diejenigen, die den Inhalt liefern, nichts bekommen, das ist kein Geschäftsmodell, das ist Scheiße.“
In Deutschland bildete sich in diesem Jahr die Initiative „Mein K©pf gehört mir“, in der sich Kunstschaffende direkt gegen Urheberrechtsverstöße wandten, in Österreich passierte das Gleiche unter dem Namen „Kunst hat Recht“. Diese Initiativen richten sich direkt gegen die Piratenpartei.
In den Augen der Piraten profitieren aber gar nicht die wahren Urheber, sondern nur die großen Konzerne vom Urheberrecht, und die Partei setzt sich die Aufgabe, Bürgerrechte zu stärken und Rechte an immateriellen Gütern zu reformieren, da in deren Austausch der eigentliche Wert liege.
Auf der Konferenz der Pirate Parties International 2009 im schwedischen Uppsala verabschiedeten die europäischen Piratenparteien eine gemeinsame Erklärung zum Programm zur Europawahl 2009. Die wichtigsten Punkte der Erklärung sind:
- Die Reform des Urheberrechts, insbesondere die Legalisierung von Privatkopien und die Verkürzung der Schutzdauer im Urheberrecht; Ablehnung von pauschalen Medien- oder Hardwareabgaben und Verbot von DRM-Techniken;
- Stärkung der Bürgerrechte durch Transparenz in der Regierungsarbeit, schnelle und faire Gerichtsverfahren, Recht auf freie Meinungsäußerung und Recht auf anonyme Kommunikation auch auf digitalen Kommunikationswegen;
- Reform des Patentrechts, um Innovationen nicht zu behindern; gefordert wird unter anderem eine EU-Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Patentrechts.
(Interessanterweise hat die Piratenpartei ihren Namen und ihr Logo beim Patentamt angemeldet, um wirksam gegen alle vorgehen zu können, die sich widerrechtlich daran vergreifen.)
Der Graben zwischen „Content-Mafia“ und „Raubkopierern“ wird immer tiefer, und die Debatten um das Copyright hitziger. Das Buch „Wer besitzt das Internet?“ versammelt die unterschiedlichsten Meinungen dazu. Zu Wort kommen Autoren, Juristen und Kulturwissenschaftsforscher. Die einen erklären, warum sie das aktuelle Urheberrecht für überflüssig halten und welche Gefahren sie in der zunehmenden Kontrolle der Behörden sehen, die anderen verteidigen die Rechte der Künstler an ihren Werken gegenüber der Gratiskultur im Internet.
Abgerundet wird diese „Streitschrift“ mit einer kleinen Geschichte des Filesharing und einer ACTA-Dokumentation. Ich habe viel dabei gelernt und war hocherfreut, dass hier ausnahmsweise mal niemand Sascha Lobo das Wort erteilt.
Silke Bexhöft, autorenbuchhandlung marx&co, Frankfurt