Zum Buch:
Michel de Montaigne (1533-1592) war ein für seine Zeit unkonventioneller Schreiber, der mit alten Traditionen spielte, Neues ausprobierte, damit seine Leser faszinierte – und zeitweise auch schockierte. Sarah Bakewell wandelt auf den Spuren Montaignes, seiner Schriften, seiner Zeit und Zeitgenossen und folgt den Kommentaren berühmter Leser durch fünf Jahrhunderte bis in die Gegenwart. Angesteckt von Montaignes Schreibstil zeichnet Bakewell in dieser Biografie auf unkonventionelle, erfrischend lebendige Weise ein Bild des Mannes, der das Genre des Essais erfand.
“Essayer” heißt auf Französisch “versuchen” und der Titel “Essais”, “Versuche”, unter dem Montaigne sein erstes Buch publizierte, ist kennzeichnend für die Lebenseinstellung des Autors und für seine philosophische Prägung. Der adelige Weingutsbesitzer, studierte Jurist, Privatier, Schriftsteller, Philosoph, Berater mehrerer französischer Könige, Reisende übte sich Zeit seines Lebens in Mäßigung und in der “heiteren Ergebenheit in alles, was geschieht.” Nicht das Gelingen, nicht den Erfolg machte Montaigne zu seinem Motto, sondern das Versuchen. Auf seinen Reisen konnte er, fasziniert von dem Neuen, Andersartigen, das er um sich herum wahrnahm, die Schmerzen seiner Nierenkoliken besser ertragen als irgendwo sonst. Im Beobachten seiner selbst und seiner Umgebung kam es Montaigne einem – durchaus nützlichen – Spiel gleich, um die Ecke zu denken, sich in andere Perspektiven als die eigene zu versetzen, und sei es in die seiner Katze.
Nichts von dem, was Montaigne tat und schrieb, betrachtete er als endgültig oder vollendet. Bis zum letzten Tag erweiterte, kommentierte, veränderte er frühere Ausgaben seiner Schriften. Bakewell nennt Montaigne in einem Interview den ersten Blogger der Geschichte. Ihr im englischen Sprachraum mehrfach ausgezeichnetes Buch ist mehr als das Porträt dieses Mannes, seiner Zeit, seiner Bewunderer: es ist das Geständnis einer tief empfundenen, heiteren Seelenverwandtschaft und bietet einen wertvollen Fundus an Ideen, wie wir unser Leben leben könnten.
Susanne Rikl, München