Sachbuch

Drucken

Buchempfehlungen Sachbuch

Autor
Vendola, Nichi

Es gibt ein besseres Italien

Untertitel
Manifest für eine Politik nach Berlusconi. Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Petra Kaiser
Beschreibung

Silvio Berlusconi wurde als Ministerpräsident abgelöst. Insofern bestehen wieder Chancen für das, was Nichi Vendola mit seinem Buchtitel verspricht: „Es gibt ein besseres Italien. Manifest für eine neue Politik.“ Das Buch hat den Charakter eines Manifests, es behandelt buchstäblich alle aktuellen politischen Probleme und Konflikte. Sein Verdienst ist es,auf Lichtblicke im verdüsterten Italien hinzuweisen.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Kunstmann Verlag, 2011
Format
Kartoniert
Seiten
176 Seiten
ISBN/EAN
978-3-88897-730-5
Preis
16,90 EUR

Zur Autorin/Zum Autor:

Nichi Vendola wurde 1958 in Bari geboren.Er promovierte über Pasolini, war MItbegründer der Rifondazione Comunista und Sprecher des Verbandes Arcigay. 2005 wurde er als Überraschungskandidat der Mitte-Links-Parteien zum Präsidenten der Region Apulien gewählt und im März 2010 mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Vendola ist Sprecher der Parteienbündnisses SEL (Sinistra Ecologia Lebertà) und Gründer der “Fabbriche di Nichi”, politischer und sozialer Aktionsplattformen für eine “Demokratie von unten”.

Zum Buch:

Silvio Berlusconi wurde als Ministerpräsident abgelöst. Insofern bestehen wieder Chancen für das, was Nichi Vendola mit seinem Buchtitel verspricht: „Es gibt ein besseres Italien. Manifest für eine neue Politik.“ Das Buch hat den Charakter eines Manifests, d.h. es behandelt sozusagen buchstäblich alle aktuellen politischen Probleme und Konflikte. Und das ist leider auch die Schwäche des Buches, weil der umfassende Anspruch natürlich zur Darstellung der Probleme in groben Zügen zwingt. Vieles von dem, was Vendola anspricht, hätte man gern etwas genauer gewusst. Wie zum Beispiel kommt es dazu, dass ausgerechnet in der süditalienischen Provinz Apulien der Frauenanteil in der Provinzregierung bei 50 Prozent liegt, in der Zentralregierung in Rom dagegen bei bescheidenen 16 Prozent. Am Berufsmacho Berlusconi allein wird das nicht liegen. Aber dieser Einwand tut dem Verdienst des Buches, auf Lichtblicke im verdüsterten Italien hinzuweisen, keinen Abbruch.

Der 1958 geborene Nichi Vendola stammt aus einer kommunistischen Familie, die ihm aus Sympathie für Nikita Chruschtschow den Vornamen Nichi verpasste. Nach dem Niedergang der Kommunistischen Partei schloss sich Vendola dem „Partitio della Rifondazione Comunista“ (PRC) an, der „einzigen Gruppierung, die sich gegen die Gleichschaltung der Linken und ihre Anpassung an die allesbeherrschende Ideologie des freien Marktes stemmte“ (Vendola). Für diese Partei war er von 1992 bis 2001 Abgeordneter in Rom, trat jedoch 2009 aus der Partei aus und schloss sich der neuen Gruppierung „Sinistra Ecologia e Libertà“ an. Für diese wurde er 2010 als Präsident der Provinz Apulien gewählt. Im Vorfeld der Wahl gründete er die „Fabbriche di Nichi“, Unterstützergruppen, die sich als überparteilich verstehen und sich vor allem dem gesellschaftlichen Engagement widmen – ähnlich den Bürgerinitiativen hierzulande. Diese Mischung aus Politik von oben und Volksbewegung umfasst mittlerweile rund 200 Arbeitsgruppen, die sich für erneuerbare Energien, Widereingliederung von Arbeitslosen, Kultur- und Bildungsprojekte, aber auch für die Wasserversorgung und die Förderung eines sanften Tourismus einsetzen.

Die Fabbriche di Nichi sind Werkstätten für mehr Demokratie und Partizipation, die Denkanstöße und neue politische Perspektiven vermitteln wollen und sich dabei vor allem auf die neuen Medientechnologien, die das Internet bietet, stützen. Vendolas Manifest ist ein einziges Plädoyer für die Mobilisierung von „kollektiver Intelligenz“ für bürgernahe Kooperation und Partizipation. Vom Jargon der Politprofis unterscheidet sich Vendola durch seine Sprache und seine Maßstäbe: er setzt mit seinem politischen Ansatz auf soziales Gewissen ebenso wie auf „Schönheitsempfinden, Demokratie, Nachhaltigkeit und Teilhabe“. Das sind analytische Schlüsselbegriffe, mit denen er den Mythos der freien Marktwirtschaft ebenso zerlegt wie den Wachstumsfetischismus: „Wir müssen wieder ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Gesamtbild entwickeln, in dem Arbeit als grundlegender sozialer Wert gilt, als Instrument sozialer Emanzipation und nicht bloß als Billigware.“

In dieser Perspektive erscheint die Nutzung des öffentlichen Raums für soziale Projekte ebenso als „schützenswertes Gemeingut“ wie der egalitäre Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Wasser. Vendola plädiert für alle politischen Bereiche von der EU bis zur Bildungs- und Regionalpolitik für grundlegende Reformen, lässt aber keinen Zweifel darüber aufkommen, dass diese nur realisiert werden können, wenn es gelingt, die Menschen zu überzeugen, dass es um „ihre Existenzgrundlagen“ und nicht um vage politische Träume geht. Weil Vendola keine Phrasen drischt, sondern glaubhaft auftritt und agiert, ist es ihm gelungen, Apulien in kürzester Zeit zum Vorreiter für die Anwendung erneuerbarer Energien zu machen oder der Bildungspolitik oberste Priorität zu verleihen. In einer Provinz, in der „Armut über Generationen hinweg vererbt wird“, ist das keine Nebensächlichkeit.

Gelegentlich brennt zwar der technologische Furor mit Vendola durch, etwa wenn er die Glasfaser-Verkabelung als Patentrezept für allerlei anpreist oder meint, „das Netz schafft Frieden, weil es vereint“, aber insgesamt bietet Vendola solide Informationen über ein anspruchsvolles Reformkonzept und eine intelligente Kritik des neoliberalen Politikbetriebs.

Rudolf Walther, Frankfurt a.M.