Zum Buch:
Eine literarische Reportage, so spannend und brillant geschrieben, dass man einfach weiter lesen muss, auch wenn man sich nicht unbedingt für Lipizzaner interessiert. Denn hier geht es um deutlich mehr als um diese Pferde und ihr Schicksal.
Was an Westermans Buch so fasziniert, ist die Vielfalt der Orte, Zeiten und Menschen, zu denen er den Leser führt. Von Napoleons Eroberungsfeldzügen, dem 1. und 2. Weltkrieg, von dem Kalten Krieg bis zu den Jugoslawienkriegen, von Wien nach Lipica, Hostau und Brno, von Mendel, Lyssenko, Jackie Kennedy, Watson & Crick und Walt Disney zu Nenad Bach: Meisterhaft verwobene Erzählstränge, die ein ziemlich genaues Bild des letzten Jahrhunderts, seiner Kriege, seiner gesellschaftlichen und politischen Systeme, aber auch seiner wissenschaftlichen Errungenschaften in punkto Vererbungslehre und Gentechnologie ergeben. Und das Beste – neben Westermans wunderbar trockenen Humor: Man hat das Gefühl, als Leser immer an seiner Seite zu sein, wenn er bei seinen Recherchen neue Entdeckungen macht, wichtige Personen trifft, die ihm ein neues Kapitel seines Buches ermöglichen, indem sie ihm ihre Geschichte erzählen oder die Verbindung zu bereits berichteten Fakten herstellen. Fast schon ein Krimi, in dem die Lipizzaner zwar den roten Faden bilden, man aber unendlich viel mehr erfährt als ihr Schicksal in den letzten 100 Jahren. Zum Beispiel, was yahoo mit Gullivers Reisen zu tun hat, wer das berühmteste Lebensbornkind des letzten Jahrhunderts ist und wie leicht man Wahrheit disneyfizieren kann.
Ein Buch voller Überraschungen, nach dessen Lektüre ich die Publikationen des Autors recherchiert habe, denn das ist mit Sicherheit nicht das letzte gewesen, das ich von ihm gelesen habe. Falls es dem einen oder anderen zukünftigen Leser genauso ergehen sollte, hier meine Ergebnisse: Auf Deutsch erschienen sind vier Titel, nämlich “El Negro”, “Ararat. Pilgerreise eines Ungläubigen”, “Das Getreideparadies”, und “Ingenieure der Seele. Schriftsteller unter Stalin. Eine Entdeckungsreise”. Viel Vergnügen bei der einen oder den anderen Lektüren!
Susanne Rikl, München