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Alibi für einen König

Autor
Tey, Josephine

Alibi für einen König

Untertitel
Kriminalroman. Aus dem Englischen von Maria Wolff
Beschreibung

Ausgangspunkt der gesamten Kriminalliteratur ist die alte Pilatusfrage: „Was ist Wahrheit?“ War es wirklich X, der Y ermordet hat, oder vielleicht nicht doch Z? Entsprechen die Alibis und die Zeugenaussagen wirklich der Wahrheit? Und welche Interpretation der Indizien führt auf die falsche Spur und welche auf die richtige? Soweit die klassischen Regeln des Genres, das eine Unzahl von Krimis an wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen Schauplätzen hervorgebracht hat. Aber der wohl originellste darunter dürfte wohl der hierzulande kaum bekannte, bereits 1951 erschienene Roman Alibi für einen König der bei uns so gut wie unbekannten englischen Autorin Josephine Tey sein, den der Kampa-Verlag dankenswerterweise wieder aufgelegt hat und der sich eines weltberühmten Fall annimmt, der seit mehr als fünfhundert Jahren als zweifellos geklärt gilt.
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
OKTOPUS bei Kampa, 2022
Seiten
256
Format
Broschur
ISBN/EAN
978-3-311-30050-2
Preis
17,90 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Josephine Tey ist das Pseudonym der schottischen Autorin Elizabeth MacKintosh (1896–1952), die vor allem für ihre Kriminalromane bekannt geworden ist. Mit dem Schreiben begann sie, nachdem sie ihre Arbeit als Sportlehrerin aufgeben musste, um ihre Mutter zu pflegen, die an Krebs erkrankt war. Nach deren Tod kümmerte sich Tey um den Vater und blieb auch danach in ihrem Elternhaus wohnen. Tey lebte sehr zurückgezogen, mied Interviews und öffentliche Auftritte. Sie starb im Alter von 55 Jahren während einer Reise nach London. Ihr Roman »Alibi für einen König« wurde von der englischen Autorenvereinigung Crime Writers’ Association zum besten Kriminalroman aller Zeiten gewählt und 1969 mit dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet.

Zum Buch:

Ausgangspunkt der gesamten Kriminalliteratur ist die alte Pilatusfrage: „Was ist Wahrheit?“ War es wirklich X, der Y ermordet hat, oder vielleicht nicht doch Z? Entsprechen die Alibis und die Zeugenaussagen wirklich der Wahrheit? Und welche Interpretation der Indizien führt auf die falsche Spur und welche auf die richtige? Am Ende sorgt die Polizei- oder Detektivarbeit für Klarheit in den fiktiven Fällen, und alle Rätsel sind gelöst. Soweit die klassischen Regeln des Genres, das eine Unzahl von Krimis an wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen Schauplätzen hervorgebracht hat. Aber der wohl originellste darunter dürfte wohl der hierzulande kaum bekannte, bereits 1951 erschienene Roman_ Alibi für einen König_ der bei uns so gut wie unbekannten englischen Autorin Josephine Tey sein, den der Kampa-Verlag dankenswerterweise wieder aufgelegt hat und der sich eines weltberühmten Fall annimmt, der seit mehr als fünfhundert Jahren als zweifellos geklärt gilt.

Alles fängt mit einem Zufall an: Inspektor Alan Grant von Scotland Yard liegt mit gebrochenem Bein und verstauchtem Rücken bewegungslos in seinem Krankenhausbett und langweilt sich zu Tode, als ihm eine Freundin einen Stapel Kunstdrucke mit historischen Portraits geheimnisumwitterter Persönlichkeiten mitbringt. Denn Grant interessiert sich beruflich für Gesichter und Gesichtsausdrücke und ist stolz darauf, bei Gegenüberstellungen vor allen anderen den Verdächtigen zu erkennen.

Das markanteste Gesicht auf all diesen Bildern ist das eines Mannes in der Kleidung des 15. Jahrhunderts, dessen Ausdruck er nicht recht enträtseln kann und der ihn zutiefst beeindruckt. Er überlegt, um wen es sich handeln könnte – einen Richter, einen Fürsten? Auf jeden Fall um einen allzu gewissenhaften Menschen, der Würde und erlittenes Leid ausstrahlt. Und dann dreht er das Bild um und liest den des Portraitierten: Richard III. – der größte Schurke in der englischen Geschichte, wie jedes englische Schulkind und jeder Theaterbesucher weiß, der Mörder der Prinzen im Tower, seiner Neffen, die ihm bei der Thronbesteigung im Weg waren.

Die Diskrepanz zwischen dem Portrait und den ihm bekannten historischen Fakten lässt ihn nicht los. Und so macht er sich ans Studium, unterstützt von einem jungen Wissenschaftler, der an seiner Stelle auf der Suche nach Erklärungen die Bibliotheken durchforstet. Grants beginnt seine Lektüre mit schlichten Schulbüchern, greift dann zu historischen Gesamtdarstellungen und anderen Abhandlungen und gerät wegen der Vielzahl widersprüchlicher Berichte zunehmend in Verwirrung, die auch durch die intensive Beschäftigung mit den zeitgenössischen Quellen, etwa dem Bericht von Thomas Morus, auf den sich auch Shakespeares Drama stützt, nicht geringer, sondern nur schlimmer wird. Erst als er beschließt, die Sache vom polizeilichen Standpunkt aus zu betrachten, kommt allmählich Klarheit in die Angelegenheit …

Alibi für einen König kann LeserInnen, die sich nur rudimentär mit der englischen Geschichte zur Zeit der Rosenkriege auskennen, an manchen Stellen durchaus verwirren, aber auch dann bleibt das Buch so spannend wie unterhaltsam und überraschend, geschrieben mit Witz und Verve und einem gesunden Misstrauen gegen historische „Fakten“, die allzu oft Ergebnis der Propaganda von interessierter Seite sind, damals nicht anders als heute. 1951 erschienen, dürfte er für woke heutige LeserInnen zwar einiges an Empörungspotential bieten, aber man sollte angesichts des hohen Unterhaltungswerts berücksichtigen können, dass der damalige konservative Zeitgeist eben so war, wie er war, und sich über die in der Zwischenzeit erreichten Veränderungen freuen. Bei seinem Erscheinen war das Buch ein solcher Erfolg, dass die englische Crime Writers Association ihn zum „besten Kriminalroman aller Zeiten“ wählte. Das mag man heute anders sehen, aber was den Plot und das Setting angeht, zählt Alibi für einen König auf jeden Fall zu den originellsten und vergnüglichsten.

Es ist sehr zu begrüßen, dass der Kampa Verlag diesen historischen Bestseller wieder aufgelegt hat, und es ist zu hoffen, dass weitere Romane dieser großartigen Autorin folgen. Es wäre aber, das nur am Rande, ebenfalls sehr begrüßenswert gewesen, wenn er sich zu einer Neuübersetzung entschieden hätte, statt die alte Übersetzung nur zu bearbeiten, denn das tut dem Erzählfluss nicht unbedingt immer gut. Und die biographische Notiz über die Autorin hätte es durchaus vertragen, wenn neben dem Hinweis auf ihre eifrige häusliche Pflegetätigkeit auch erwähnt worden wäre, dass sie einige damals sehr erfolgreiche Theaterstücke geschrieben hat und ihre Romane mehrfach verfilmt wurden, unter anderem von Alfred Hitchcock.

Irmgard Hölscher, Frankfurt a. M.