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Twist

Autor
McCann, Colum

Twist

Untertitel
Roman. Aus dem Amerikanischen von Thomas Überhoff
Beschreibung

Sabotage an Unterseekabeln, dafür hat sich vor drei Jahren, als Column McCann mit der Arbeit an seinem neuesten Roman begann, sind sie in aller Munde. Kann es wirklich sein, dass der größte Teil des weltweiten Internets, das nicht nur Menschen, sondern auch unsere gesamte digitale Technik verbindet, über Kabel läuft, nicht dicker als ein Gartenschlauch, in der bis heute für Menschen unzugänglichen Tiefsee, allen möglichen natürlichen oder menschengemachten Katastrophen ausgesetzt? Was passiert, wenn ein solches Kabel reißt, und wer sind die Männer, die es wieder reparieren?
(ausführliche Besprechung unten)

Verlag
Rowohlt Verlag, 2025
Seiten
416
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-498-00385-2
Preis
28,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Colum McCann wurde 1965 in Dublin geboren. Er arbeitete als Journalist, Farmarbeiter und Lehrer und unternahm lange Reisen durch Asien, Europa und Amerika. Für seine Romane und Erzählungen erhielt McCann zahlreiche Literaturpreise, unter anderem den Hennessy Award und den Rooney Prize for Irish Literature. Zum internationalen Bestsellerautor wurde er mit den Romanen Der Tänzer und Zoli. Für den Roman Die große Welt erhielt er 2009 den National Book Award. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in New York.

Zum Buch:

Sabotage an Unterseekabeln, dafür hat sich vor drei Jahren, als Column McCann mit der Arbeit an seinem neuesten Roman begann, kaum jemand interessiert. Heute sind sie in aller Munde. Langsam dringen die bedrohlichen Konsequenzen von sabotage- oder unfallbedingten Kabelbrüchen ins Bewusstsein, jedenfalls in meins und vermutlich auch in das vieler anderer Menschen, die wie ich davon ausgegangen sind, dass Internetverbindungen überwiegend über Satelliten laufen. Kann es wirklich sein, dass der größte Teil des weltweiten Internets, das nicht nur Menschen, sondern auch unsere gesamte digitale Technik verbindet, über Kabel läuft, nicht dicker als ein Gartenschlauch, in der bis heute für Menschen unzugänglichen Tiefsee, allen möglichen natürlichen oder menschengemachten Katastrophen ausgesetzt? Was passiert, wenn ein solches Kabel reißt, und wer sind die Männer, die es wieder reparieren?

Das herauszufinden, wird der nicht sehr erfolgreiche irische Schriftsteller und Ich-Erzähler Anthony Fennell von einer Redaktion nach Kapstadt geschickt, um auf einem Reparaturschiff mitzureisen und einen Bericht darüber zu schreiben. Begeisterung löst dieser Auftrag bei ihm nicht gerade aus, aber in seiner Situation – Schreibblockade, Alkoholismus, Geldnöte – kann er sich nicht erlauben, ihn abzulehnen. Begeisterung über den zukünftigen Mitreisenden zeigt auch sein Landsmann, der Missionschef John Conway, nicht gerade, aber es ist nicht sein Schiff, und zu entscheiden hat der Kapitän. Anthony ist von Conway, der ihm „leicht entrückt und engelsgleich … zugleich an- und abwesend“ erscheint, von Anfang an fasziniert. Aber auch nach der langen Fahrt von Kapstadt vor die kongolesische Küste, wo ein Kabel durch eine Naturkatastrophe gerissen ist, ist – und bleibt – er ihm (und uns) ein Rätsel. Und so erscheint es zwar unerwartet, aber keineswegs wirklich überraschend, dass er nach erfolgreicher Reparatur spurlos verschwindet.

Aber das alles – die Suche nach dem Kabelbruch, die Schiffsreise mit ihren fantastischen Naturbeschreibungen und die Introspektion des Ich-Erzählers, der als einziger auf dem Schiff keine Aufgabe hat und so sein Leben und seine Beziehungen Revue passieren lässt – ist nur der erste Teil des dreiteiligen Romans, der seine Spannung bis zum Ende immer weiter aufbaut.

Denn es geht keineswegs nur um die Geschichte einer Reise und das Abenteuer der Suche nach Kabelenden; es geht um viel, viel mehr. Das Eigentliche findet sich unter der Oberfläche, in der Tiefe des Meeres und der menschlichen Seele, in Verletzungen, die sich nicht so leicht heilen oder ungeschehen machen lassen. Es geht um den Müll, in dem wir alle leben, ohne es wirklich zu begreifen, den realen Müll im Meer und an Land, den Datenmüll, den die Kabel transportieren, um die Tatsache, dass all die technischen Möglichkeiten der Verbindung die menschlichen Möglichkeiten zur Kommunikation mit anderen weniger erweitern als zerstören. Conways Feststellung: „Alles wird geflickt, und wir alle bleiben gebrochen“, zieht sich wie ein Leitmotiv durch das ganze Buch, das mit dem Satz beginnt: „Wir zerbrechen alle aneinander“ und mit Fennells Erkenntnis endet: „Mein Leben bestand aus nichts als unterbrochenen Verbindungen.“

Man könnte seitenlang über die Fülle dessen, was in diesem Buch behandelt wird, über all die politischen, ökologischen und menschlichen Katastrophen in einer Welt schreiben, in der sich die Menschheit selbst zugrunde richtet, in der es aber dennoch einen Rest an Hoffnung gibt, und hätte doch nur einen Bruchteil dessen gesagt, was dieser Roman an Einsichten bietet. Es ist die große Kunst von McCann, für jedes Thema eine Form zu finden, die dem Inhalt Tiefe verleiht. Hier ist es gerade die formale Schlichtheit, die den Blick der LeserInnen hinter die Thriller-Elemente lenkt: in die unbekannten Tiefen des Ozeans und des Menschseins. Absolut lesenswert.

Irmgard Hölscher, Frankfurt a.M.