Zum Buch:
„Wenn der Mensch seinen Grund wahrnimmt, begreift er, dass er schwebt.“
Auf Einladung seines Bewunderers und Übersetzers, des muslimisch-bosnischen Dichters Rajko Surup, reist der walisische Autor und Altphilologe Peter Hund nach Sarajevo, um dort einen Vortrag zu halten – als er unversehens vom Krieg überrascht wird. Doch anstatt wie die meisten Zivilisten die umlagerte Stadt eilends zu verlassen, fasst er spontan den Entschluss zu bleiben, um, wie er sagt, diese beispiellose Grenzerfahrung wie eine intensive Begegnung mit sich selbst zu erleben. In Begleitung von Rajko, dem Ich-Erzähler in Dzevad Karahasans neuem Roman, durchstreift er wie Dante an der Seite von Vergil die Hölle des Krieges in einer von Verzweiflung, Angst und Wut getriebenen Stadt. Und während sie sich vor Granateinschlägen in zu Bunkern umfunktionierte Kellerräume flüchten und ein ums andere Mal den Scharfschützen entgehen, lernen sie auf ihrer Odyssee auch die surreale Seite des Krieges kennen.
„Hier schwebt alles. Rauch schwebt über zahllosen Brandstätten, über der ganzen Stadt, in der ständig etwas brennt. Die Seelen der Ermordeten und Unbestatteten schweben über uns. Fliegen schweben über Müllhaufen und Leichen. Unsere rauschgiftabhängigen Freunde schweben, und jetzt, da, schweben auch die Vögel. Und das ganze Schweben spielt sich in der schwersten Stadt der Welt ab.“
Dzevad Karahasan Beredsamkeit und sprachliche Finesse sind in ihrer Art einmalig und lassen sich dennoch unumwunden mit den Größen der Weltliteratur vergleichen. Die Innenbetrachtungen seiner Protagonisten wie auch deren messerscharfe Dialoge kommen einem Geschenk an den Leser gleich.
Axel Vits, Köln