Zum Buch:
Die Fassade von Annas Haus wird renoviert. Das ist so üblich in Paris, dass alle 10 Jahre die haussmann’schen Ansichten neu gestrichen werden müssen. Sie ist gerade mit ihrem Mann, David, eingezogen und alles liegt in Unordnung. Anna kämpft mit den Auswirkungen ihrer Fehlgeburt und kann sich nicht durchringen, wieder anzufangen zu arbeiten. David hat eine Stelle in London angenommen, und so ist Anna alleine in ihrer neuen Wohnung. Sie freundet sich mit ihrer Nachbarin Clementine an, die einige Jahre jünger, politisch aktiv und erst kürzlich mit ihrem Freund zusammen gezogen ist. Die beiden diskutieren Lacan, auf den sich Anna in ihrer psychoanalytischen Praxis bezieht, Begehren, und die Rolle von Monogamie, Treue und Rollenverteilungen in ihren Ehen. Und Anna denkt über Jonathan nach, ihren Exfreund.
40 Jahre voher: Florence und Henry sind in die Wohnung eingezogen, in der Anna später wohnen wird. Sie sind jung, frisch verheiratet, und Florence möchte unbedingt Kinder. Henry nicht. Beide sind nicht besonders zufrieden in ihrer neuen Ehe, haben Zweifel, und beginnen Affären. Florence studiert Psychoanalyse und besucht die Vorlesungen Lacans, den sie den Maestro nennt.
In diesen zwei Geschichten öffnet Lauren Elkin eine Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen von Offenheit in der Ehe, und die Frage, ob wirklich alles, was man an emotionalen Bedürfnissen hat, von einer Person erfüllt werden kann. Sie nutzt die philosophisch-psychoanalytischen Diskussionen ihrer Charaktere, um sich den Zweifeln anzunähern, die Menschen in ihren Beziehungen umtreiben: Wie gut kenne ich die Person, mit der ich mein Leben verbringe, wirklich? Wie spreche ich über die Personen, die mir nahestehen, wenn ich ihre Komplexität und Widersprüche nicht vollends ausdrücken kann? So wird Fassaden zu einer Reflexion über die Begrenztheit von Sprache im Angesicht von Begehren und Liebe. Die LeserInnen begleiten Anna bei den Versuchen, ihre Erfahrungen und Bedürfnisse in Sprache zu bringen: Ihre Fehlgeburt, die Sehnsucht nach einer echten, emotionalen Verbindung, Gefühle für aktuelle und verflossene Liebhaber. Trotzdem eröffnet sich für die Charaktere keine echte Alternative zur Zweierbeziehung. Alternative Lebensentwürfe und Gemeinschaften werden nicht in Betracht gezogen, sodass sie nach ihren außerehelichen, meist geheimen Abenteuern wieder in ihre monogamen Beziehungen zurückkehren. Die Fassade der intakten, monogamen Ehe muss aufrechterhalten werden.
Die literarische Auseinandersetzung mit psychoanalytischen Ansätzen gelingt Elkins sehr gut. Das Buch überzeugt daher insbesondere durch die geschickte Verbindung von Erzählung und philosophischen Überlegungen. Fassaden regt zum Nachdenken an: Über Beziehungen, Begehren und die Grenzen der Sprache.
Melissa Dutz, Frankfurt