Zum Buch:
Was für ein wunderbar farbenfrohes Cover leuchtet einem da entgegen, wenn man „Ahmadjan und der Wiedehopf“ neugierig in die Hand nimmt!
Wer ist dieser Ahmadjan, warum Wiedehopf und woher kommen all die Vögel, die uns in dieser Graphic Novel begegnen? Wer sich, so wie ich, mit der persischen Literatur des 12. Jahrhunderts nicht auskennt und sich daher mit den eingeschobenen Auszügen aus der Konferenz der Vögel anfangs etwas schwertut, fühlt sich durch die an Sempé erinnernden Zeichnungen gleich darauf zu Hause in der spannenden Geschichte. Maren Amini erzählt darin vom Lebensweg ihres Vaters, der 1972 Afghanistan verließ und nach Deutschland kam, um Künstler zu werden.
„Ahmadjan! Eine Reise durch sieben Täler liegt vor uns“, ruft der Wiedehopf dem Jungen von damals zu. Spätestens jetzt ist es hilfreich zu wissen, dass im Zentrum der Handlung von Die Konferenz der Tiere eine Pilgerfahrt ins Innere steht, die mit einem Gleichnis erzählt wird: Dreißig Vögel begeben sich dabei auf die Suche nach Gott und treffen am Ende auf nichts als Abbilder ihrer selbst.
Als Kind aus ärmeren Verhältnissen, aber gleichzeitig auch als sehr guter Schüler, erhält Ahmadjan ein Stipendium für eine Schule im fernen Kabul und erlebt dort erstmals, wie es ist, jeden Tag satt zu werden. Er bekommt Kunstunterricht, verliebt sich in seine Englischlehrerin, malt wie besessen Rose um Rose und findet im Malen erstmals einen Ort der inneren Ruhe und des Friedens. Parallel zu den ersten Demonstrationen, die Afghanistan in die Demokratie führen wollen, erlebt Ahmadjan das Erwachsenwerden, ist verrückt nach westlicher Musik und verlässt eines Tages sein Heimatland. Weil man für Deutschland (damals) im Gegensatz zu Amerika kein Visum braucht, landet der junge Mann nach einer Odyssee über Moskau und Ost-Berlin in Hamburg, verdingt sich als Tagelöhner und entdeckt die Moderne Kunst für sich. Ein Feuerwerk aus Farben illustriert Ahmadjans Begeisterung, seine wilden Tage in Amsterdam und London, seine Entdeckungen in den Museen, aber auch seine Abstürze aus den höchsten Höhen.
Fortan wird er ein Reisender und Heimatloser zwischen den Welten bleiben – Deutschland, der Westen, auf der einen Seite und Afghanistan, seine Heimat, auf der anderen –, hin- und hergerissen zwischen den Werten und Normen so unterschiedlicher Kulturen, die unvereinbar erscheinen. In Afghanistan hält ihn seine Familie ob seiner künstlerischen Exzentrik für verrückt, in Deutschland verliebt er sich, gründet eine Familie und verlässt sie auch wieder. Eindrucksvoll und von fast schwarzweiß zu knallig bunt wechselnd, vermitteln die Zeichnungen viel vom Innenleben eines zerrissenen, hoch kreativen Menschen, dessen einzige Heimat die Kunst bleibt.
Im ausführlichen Glossar am Ende des Buches werden alle politischen Hintergründe, die in den Zeichnungen meist Nebenschauplatz, manchmal jedoch auch Mittelpunkt sind, erklärt. Ahmadjan und der Wiedehopf verführt durch seine Farbenpracht, erzählt eine hochspannende Lebensgeschichte zwischen den Kulturen und macht neugierig auf die Geschichte Afghanistans, der man sich nach der Lektüre dieses Buches ein ganzes Stück näher fühlt.
Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt