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Vater unser

Autor
Lehner, Angela

Vater unser

Untertitel
Roman
Beschreibung

Österreich, Wien, Otto Wagner – Angela Lehners Debütroman liefert uns vieles von dem, was wir an Österreich so lieben, doch die Perspektive ist minimal, aber entscheidend verschoben. Wir verlassen die gewohnten touristischen Pfade und fahren gleich zu Beginn des Romans mit dem Polizeiauto über die Ringstraße hinaus und hinauf zum Steinhof, zur Wiener Psychiatrie, ins Otto-Wagner-Spital. Eva Gruber sitzt im Auto mit auf dem Rücken gebundenen Händen hinter Gittern.

Mit ihrer Eva Gruber kann Angela Lehner gleich mit ihrem ersten Roman restlos überzeugen. Es ist ein gewagtes, aber sehr gelungenes Kunststück, so beglückend verrückt vom Wahn zu erzählen, dass sie weder der Psychose ihre Tragik nimmt noch die Gesellschaft aus ihrer Verantwortung entlässt.
(ausführöiche Besprechung unten)

Verlag
Hanser Berlin, 2019
Seiten
284
Format
Gebunden
ISBN/EAN
978-3-446-26259-1
Preis
22,00 EUR
Status
lieferbar

Zur Autorin / Zum Autor:

Angela Lehner, geboren 1987 in Klagenfurt, aufgewachsen in Osttirol, lebt in Berlin. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaft in Wien, Maynooth und Erlangen. U.a. nahm sie 2016 an der Prosawerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin und 2017 am Klagenfurter Häschenkurs teil. 2018 war sie Finalistin des Literaturpreises Floriana. “ Vater unser” ist ihr erster Roman.

Zum Buch:

Österreich, Wien, Otto Wagner – Angela Lehners Debütroman liefert uns vieles von dem, was wir an Österreich so lieben, doch die Perspektive ist minimal, aber entscheidend verschoben. Wir verlassen die gewohnten touristischen Pfade und fahren gleich zu Beginn des Romans mit dem Polizeiauto über die Ringstraße hinaus und hinauf zum Steinhof, zur Wiener Psychiatrie, ins Otto-Wagner-Spital. Eva Gruber sitzt im Auto mit auf dem Rücken gebundenen Händen hinter Gittern und bittet höflich um ein Glas Wasser. „Verzeihung“, sag ich, „Durst.“ „An Durst hat’s“, vernehme ich eine Stimme. „Ah, iatz hat’s an Durst? “ „Richtig“, sag ich, „einen Durst hab ich.“

Gleich auf der ersten Seite beglückt den Leser das österreichische Idiom, werden ihm aber auch die Augen geöffnet für eines der Kernthemen des Romans: die Kommunikation. Wo entstehen die Worte, wer nimmt sie wie wahr, wer versteht sie?

Und: Wer ist hier eigentlich irre? Das System oder Eva Gruber, die Eingelieferte? Sie spielt mit den Erwartungen an Verrückte, erfindet eine haarsträubende Geschichte, um eingewiesen zu werden, um ihren magersüchtigen kleinen Bruder aus der Psychiatrie zu befreien, erzählt dem Arzt von ihrer schrecklichen Kindheit im erzkatholischen Milieu, um sofort wieder über ihn und seine Leichtgläubigkeit zu lachen. Erzählen kann sie, diese Eva Gruber, aus deren Perspektive geschildert wird, und auch der Leser, der sich heillos in ihrer Perspektive verfängt, weiß bald nicht mehr, was wahr ist und was Wahn.

Eva Gruber spielt mit der Polizei ebenso wie mit ihrem behandelnden Arzt und ihren Lesern, bewegt sich auf hohem schriftstellerischen wie wahnhaften Niveau, spielt mit allen Familienverstrickungen, die bei Freud durchdekliniert wurden, und versucht in diesem Sinne auch ihren eigenen Bruder zu therapieren: Vater, Sohn und Heiliger Geist heißen die drei Teile des Romans, und die Rettung des Bruders liegt in der Zerstörung des Vaters, zumindest in einer Version der Geschichte.

Mit ihrer Eva Gruber kann Angela Lehner gleich mit ihrem ersten Roman restlos überzeugen. Es ist ein gewagtes, aber sehr gelungenes Kunststück, so beglückend verrückt vom Wahn zu erzählen, dass sie weder der Psychose ihre Tragik nimmt noch die Gesellschaft aus ihrer Verantwortung entlässt. „Was für ein Debüt!“, schreibt Joachim Meyerhoff über seine Kollegin. „Immerzu möchte man diese Eva gleichzeitig würgen und küssen – sie geht mir nicht mehr aus dem Kopf.“

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt