Literaturgeschichten haben seit geraumer Zeit Konjunktur; eine Literaturgeschichte Österreichs, die dem Interesse des Lesers wie den Ansprüchen der Wissenschaft genügt, fehlt. Diesem Mangel abzuhelfen ist eine reizvolle Aufgabe, bedarf aber der einläßlichen methodischen Vorbereitung, die über die intensive Theoriediskussion der jüngeren Vergangenheit hinausführt und Konsequenzen in der Praxis zeitigt. Die prekäre Identität der österreichischen Literatur erfordert eine Sensibilisierung im Begrifflichen, eine exakte Reflexion der Kanonmechanismen und der Periodisierung und eine Neuorientierung an meist vernachlässigtem Material. Vor allem aber ist ein Konzept nötig, das Literaturgeschichtsschreibung von chauvinistischen Ansprüchen freihält, die verengende Sicht traditioneller Literaturgeschichten und damit verbundener Wirkungen aufgibt und zugleich das exponiert, was als Besonderheit der österreichischen Literatur gilt. Der Band grenzt das Problemfeld auf verschiedene Weise ein: Grundsätzliche Erwägungen zur Textsorte Literaturgeschichte stehen neben Analysen, die Kritik an vorhandenen Paradigmen mit Perspektiven zur Neuorientierung verbinden. Abschließende Fallstudien machen bewußt, wie dringlich es für den Literarhistoriker ist, seine Urteile auf Grund der Empirie zu revidieren.