Dass der Zusammenbruch des ‚Dritten Reiches‘ einerseits, die Gründung und Konsolidierung der Bundesrepublik andererseits die im deutschen öffentlichen Sprachgebrauch gepflegte Semantik tiefgreifend verändert haben, ist keine kühne Hypothese. Elementare politische, rechtliche, ethische und kulturelle Begriffe unterlagen in der Nachkriegszeit einem Bearbeitungsdruck, der sich nicht schon mit der Vermeidung oder förmlichen Tabuisierung spezifisch nationalsozialistischer Begrifflichkeit aufheben ließ. Für den Bestand belasteter, durch die NS-Periode und ihre Vorgeschichte auf die eine oder andere Weise in Mitleidenschaft gezogener und gleichwohl unverzichtbarer Grundbegriffe wie ‚Volk‘ oder ‚Autorität‘ leuchtet dies sogleich ein. Aber nicht nur an diesem Bestand lässt sich studieren, wer in welchen Sprachhandlungskontexten welche Definitions- und Applikationsstrategien zum Einsatz brachte, um in der Aufbauphase der zweiten deutschen Demokratie orientierungsmächtige Begriffe und Begriffsverbindungen weiterverwendbar zu halten, wiederverwendbar zu machen oder erstmalig durchzusetzen. Der vorliegende Band versammelt Beiträge zu einer kulturbereichsspezifisch differenzierten Vermessung des begriffsgeschichtlichen Schwellenwerts der Nachkriegszeit - ergänzt um Theorieskizzen zum Gegenstand und zur Methode begriffsgeschichtlicher Untersuchungsgänge innerhalb einer kultur- und sozialgeschichtlich aussagefähigen historischen Semantik.