Zum Buch:
Wie gut, dass dieses Buch großformatig ist, so kann man am eigenen Leib erfahren, wie riesig Russland ist: Die Landkarte auf den ersten Seiten ist nicht auf einen Blick zu erfassen, nein, man muss den Kopf schon wenden, von der einen Seite des Blattes zur anderen. Und dann ist man noch immer nicht am Ziel. Wer von Moskau nach Wladiwostok reisen will, der muss nochmals umblättern, um endlich da zu sein. Oder man setzt sich eben gleich in die Transsibirische Eisenbahn. Das allerdings braucht eine ganze Woche auf dieser längsten Eisenbahnstrecke der Welt.
Wir begeben uns auf Reisen mit dem Autorenduo Alexandra Litwina und Anna Desnitkaya, denen wir uns schon einmal anvertraut haben: 2017 veröffentlichten die beiden einen Streifzug durch 100 Jahre russische Geschichte, indem sie die private Geschichte eines alten Moskauer Hauses und ihrer Bewohner erzählten (das Buch ist leider vergriffen). Nun setzen wir uns mit ihnen in Bewegung und reisen von Europa bis nach Fernost, tauchen erst einmal ab in diese wunderbaren Zugabteile, die in detailreichen Bildern unendlich gemütlich aussehen. Hier wird geschlafen und gespielt, geplaudert und gelesen und vor allem aus dem Fenster geschaut.
Mit Alexandra Litwina und Anna Desnitkaya machen wir Halt an über 30 Stationen in Europa, West- und Ostsibirien und Fernost, besuchen die Städte und ihre Bewohner. In Jekaterinenburg empfangen uns Jakow, Georgi und Sofija, die uns erklären, dass hier die Grenze zwischen Europa und Asien verläuft, Jekaterinenburg die meisten konstruktivistischen Gebäude hat, übrigens sämtlich ohne Bad und Küche ausgestattet, und was man Leckeres essen kann: Shangin ämlich, herzhafte Fladen mit Rahm oder Beeren. Aber wir müssen schon wieder einsteigen, die Transsib hat hier nur 54 Minuten Aufenthalt. Jetzt geht es weiter nach Sibirien, und wir bekommen gleich mal Tipps, wie wir der sibirischen Kälte trotzen könnten. Weiter geht es über Tjumen und Ljubinskaja (hier wohnt die Uroma von Tatiana und Sascha aus Bremen) nach Omsk, wo Dostojewski vier Jahre in Haft saß (wir haben dort nur 16 Minuten Aufenthalt), über Irkutsk nach Darassum, wo die Transsib einfach gar nicht hält, obwohl es hier sibirische Plötzen und sibirische Kirschen gibt. Nach genau 9288 Kilometern haben wir Wladiwostok erreicht und ein ebenso schön illustriertes wie überaus informatives Buch gelesen oder mit unseren Kindern durchgeblättert oder den Freunden gezeigt oder wie ein Lexikon mehrmals aus dem Regal geholt. Ein Bilder-, Geschichts- und Reisebuch, das die dunklen Kapitel der Transsibirischen Eisenbahn zwar nur streift, aber dennoch absolut empfehlenswert ist.
Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt