Der Abt und seine Bauern. Territorialisierung als Prozess in Salem vom Späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg Die Studie über die reichsunmittelbare Zisterzienserabtei Salem eröffnet neue Einsichten über grundlegende politische Entwicklungen in der Frühen Neuzeit. Sie beleuchtet die Möglichkeiten und die Grenzen kirchlicher Herrschaft und weist auf breiter Quellengrundlage den dauerhaften politischen Einfluss der Bauernschaft nach. In der untersuchten Periode von 1473 bis 1637 festigte die Abtei ihre politische Herrschaft über Land und Leute. Im Zuge der Territorialisierung verdichtete sie verschiedene Herrschaftsrechte in ihrer Hand und schloss das Herrschaftsgebiet ab. Dies wurde auf zwei Ebenen erreicht: Erstens wurden die Grenzen des Territoriums gegen Außen eindeutig definiert – in räumlich-physischer, rechtlicher und symbolischer Hinsicht. Zweitens wurden die Untertanen vollständig in das eigene Territorium integriert. Diesen Prozess kann man jedoch nicht einfach als Staatsbildung von „oben“ – durch die Aktivitäten der Äbte – charakterisieren. Deren Herrschaft wurde zwar gestärkt und zentralisiert, aber durchaus nicht vornehmlich auf Kosten der Bauernschaft. Deren materielle Bedürfnisse und Interessen wurden aufgegriffen, so dass gütliche Vergleiche zustande kamen. Das Beispiel Salem zeigt das Moment politischer Inklusion auf einer breiten sozialen Basis. Durch kleinteiliges Agieren und auf dem Wege direkter Kommunikation brachten sich die kommunalen Entscheidungsträger aus der Bauernschaft wirkungsvoll ein. So entwickelte sich die Herrschaft in der Abtei aufgrund interaktiver Prozesse fort. Wir begegnen also in der Arbeit vielseitigen Aushandlungsprozessen, bei denen sowohl wechselnde Bündnisse und ungleiche Partnerschaften als auch das Prinzip der Gegenseitigkeit sowie direkte Kooperation zwischen sozialen Gruppen mitwirkten. Dieses Primat des Verhandlungsprinzips brachte wechselseitige Vorteile, nicht weil die sozialen Gruppen von vornherein gemeinsame Interessen hatten, sondern da sich Kommunikationskanäle öffneten und Konflikte abschwächten. Die Kommunikation im Territorium lief über zwei zentrale Institutionen, das „Sidelgericht“, und das „Verhör“. Diese beiden Körperschaften vermochten es, nicht nur Konflikte zu dämpfen und diverse soziale Gruppen zu integrieren, sondern auch deren Anliegen zu berücksichtigen, und hier lag das Fundament der bemerkenswerten politischen und sozialen Stabilität in Salem. So ist dieses kleine Territorium ein Beispiel dafür, wie ein erfolgreiches Gemeinwesen vorgeht, wie es ständig neue Ziele entwickelt und sich dabei selbst erhält. Durch diese Forschungsarbeit über Salem werden die Potenziale und Grenzen der Staatsbildung im Reich grundlegend beleuchtet, sie zeigt auf, wie die Beziehungen zwischen Herren und Untertanen in der Frühen Neuzeit miteinander verflochten waren.